Beginn mit 55 Jahren
Edward Wilfrid Baxby (Ted) Proud (1930–2017), britischer Händler, Autor und Verleger seit 1961, war bis ins hohe Alter ein begnadeter Buchautor. Heute werden rund 80 (!) postgeschichtliche Titel* aus seiner Feder angeboten, nicht nur zu britischen Gebieten, sondern auch zum Beispiel zu Deutsch-Ostafrika und zum Kriegsschicksal der S.M.S. Emden im Pazifik.
Wer die „Markenländer“ zählt (bei Malaya zwölf, bei Rhodesien zehn, bei Nigeria sieben), kommt bei rund 80 Einzeltiteln auf knapp 100, beispielsweise allein bei Malaya – der Lieblingsregion des Autors – auf sechs Bände in neun Fassungen. Regional verteilen sich Prouds Bücher auf „Großbritannien und die Welt“ 17, Europa fünf, Nahost drei, Afrika 19, Amerika 16, Asien 20 und Ozeanien neun Bände.
Gemäß seiner Bibliografie muss Ted mit 55 Jahren angefangen haben, Bücher zu schreiben. 1985 erschienen fünf, 1989 sechs, im Jahre 2000 acht und 2008–2010 drei Titel. Rechnerisch hat er jährlich drei Bücher produziert, Neufassungen mitgezählt. Dies ist in der Tat ein immenses Pensum.
Ted war Fellow der Royal Philatelic Society London (RPSL) und zeichnete 2008 die Roll of Distinguished Philatelists (RDP), was jährlich weltweit nur ganz wenigen Philatelisten vergönnt ist. Mit seiner Firma Proud-Bailey in East Sussex spezialisierte er sich 1961 auf Postgeschichte, Poststempel und „Routen“ – also interkontinentale Transportwege von Postdokumenten. Er war der Präsident des internationalen Händlerverbandes IFSDA und gründete 1972 das Postal History International Magazine. Mit seinen Büchern sprach er die umfangreiche Kolonial-Sammlerschaft in Großbritannien, Australien, Kanada, Südafrika (RSA) und den USA an. Bei einigen Ländern, beispielsweise den „Ten Rhodesia“, befindet sich diese im Aufwuchs – entsprechende Arbeitsgemeinschaften haben bis zu 450 Mitglieder.
1987 verkaufte Proud sein Unternehmen für angeblich 1,6 Mio. Pfund an Stanley Gibbons und wurde dort Joint Deputy Chairman. Der Verkaufserlös soll in Form von 13 Millionen Firmenanteilen zum Wert von je 12,25 Pence bezahlt worden sein. Das Copyright seiner Bücher vermachte er der Stiftung (Charity) International Postal Museum. Nach seinem Tode ging es zusammen mit seinem Restbestand und dem zuvor erzielten Stiftungsertrag an die Royal, ebenfalls einer Charity.
Proud wird von Chris King, 2014 Präsident der Royal, als einer der profiliertesten Kenner der britischen Kolonialpostgeschichte gewürdigt. King selbst ist Spezialist für Schleswig und hat gegebenenfalls nicht die Detailkenntnis einiger Experten des British Empire. Afrika-Spezialisten sind da kritischer und beklagten bereits zu Lebzeiten des Fachbuchautors das rasante Publikationstempo, unter dem die im Schnellschuss herausgegebenen Bücher litten.
Am Beispiel des Nordrhodesien-Bandes sei dies aufgezeigt: Dessen Poststempelteil (ein Fünftel des Gesamtumfanges) sowie die Tarife- und Postämterlisten (ein Zehntel) sind hervorragend, obwohl durch das rasante Publikationstempo naturgemäß Lücken blieben.
Zuträger zu Proud’schen Titeln bedauern, dass ihre Ergänzungsanregungen in den Nachauflagen keinen Eingang fanden. Auch „Lückenfüller“ fielen unangenehm auf und verteuerten die ohnehin luxoriösen Werke unnötig: Fotosequenzen teils ohne Postbezug, ellenlange Schiffs- und Bahn-Abfahrtstabellen sowie grottenschlecht reproduzierte Schwarzweiß-Karten, auf denen man nichts erkennt, machen knapp ein Drittel dieses Buches aus.
Am ärgerlichsten ist – wie bei all seinen Büchern – das Inhaltsverzeichnis, welches das Wichtigste verschweigt und den Leser zwingt, sich bei bis zu eintausend Seiten mühsam durchzufressen. Da sind Spezialpublikationen von Regionalexperten genauer und nützlicher.
Trotzdem bleibt festzuhalten, dass Proud vor allem für die „kleineren Länder“, zu denen es kaum weiterführende Literatur gibt, Grundlegendes leistete und dem interessierten Postgeschichtler noch heute wertvolle Erstinformationen bietet.
Dr. Jan U. Clauss
Vollständige Publikationsliste Prouds als Leserservice zum Herunterladen (Datei als PDF | Datei als XLXS).
Großbritannien-Spezial 2016/2017
ISBN: 978-3-95402-165-9
Preis: 89,00 €
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