Saarland: Ende nach 260 Jahren
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, geht im Saarland eine Epoche zu Ende. Mit dem heutigen Tag wird nach rund 260 Jahren offiziell der Steinkohlebergbau eingestellt.Die letzte Schicht fuhr bereits gestern ein. Eigentlich sollte wie in Ibbenbüren erst 2018 Schluss mit dem Abbau der Steinkohle sein. Nach mehreren schweren Grubenbeben entschied die Regierung jedoch, vorzeitig auf den Bergbau zu verzichten.
Die reichen Vorkommen prägten nicht nur die Industriegeschichte der Region. Ihnen verdankt das Saarland letzten Endes auch seine politische Existenz. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte der Landstrich großenteils zum preußischen Regierungsbezirk Trier. Einige Teile zählten zudem historisch zur bayerischen Pfalz Die Franzosen stellten dann die „Saarfrage“. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass dabei auch der Gedanke an Revanche eine Rolle spielte, hatte Deutschland doch rund 50 Jahre zuvor das Elsass und Lothringen annektiert.
Nunmehr versuchten die Franzosen, das Saargebiet zumindest aus dem Deutschen Reich zu lösen, wenn nicht gar, Frankreich einzugliedern. Bis zur Saarabstimmung 1935 unterstand das Saargebeit daher dem Völkerbund. Seinerzeit entschieden sich die Bürger mit überwiegender Mehrheit für die „Heimkehr ins Reich“ und damit für die Aufgabe der bis dahin bestehenden Demokratie. Mit der zum 1. März 1935 erfolgenden Rückgliederung gelangte das Saargebiet aber nicht zu Preußen und Bayern zurück, sondern blieb eigenständig. Erstmals sprach man vom „Saarland“. Mit den eigenständigen Bundesländern kann man die Schöpfung der NS-Herrscher aber nicht gleichsetzen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unternahm Frankreich einen neuerlichen Anlauf, das Saargebiet unter Kontrolle zu bringen. Vom 16. Februar 1946 an unterstand es nicht mehr dem Alliierten Kontrollrat. Zwar verzichteten die Franzosen darauf, das Saargebiet zu annektieren, richteten aber Ende 1946 eine Zollgrenze zur Französischen Zone Deutschlands ein, derweil sie die Zollgrenze zu Framnkreich aufhoben. Zum 15. November 1947 mussten die Saarländer mit Französischen Franc bezahlen. Mit dem 15. Dezember 1947 trat dann die Verfassung des eigenständigen Saarlandes in Kraft, das später auch internationalen Organisationen wie dem Europarat beitrat. Ab Juli 1948 waren die Saarländer nicht mehr deutsche Staatsbürger, sondern „Sarrois“.
Da die Bürger Widerstand gegen die französische Politik leisteten, kam es in den fünfziger Jahren zu Verhandlungen mit Deutschland. Die Regierungen unter Pierre Mendès-France und Konrad Adenauer handelten das am 23. Oktober 1954 unterzeichnete Saarstatut aus, mit dem das Saarland einem Kommissar der Westeuropäischen Union unterstellt worden wäre. Die wirtschaftliche Anbindung an Frankreich sollte bleiben. Zugeleich wollte man das Saarland wirtschaftlich enger mit Deutschland verflechten, als das bis dahin der Fall war.
Allerdings hatten die Politiker die Rechnung ohne das Volk gemacht. Am 23. Oktober 1954 votierten 67,7 Prozent der Saarländer gegen das Saarstatut. Formal stimmten sie damit zwar nicht für den Beitritt zur Bundesrepubklik Deutschland. Die Regierungen verstanden aber auch so. Im Luxemburger Vertrag vom 27. Oktober 1956 vereinbarten beide Seiten die schrittweise Rückkehr des Saarlandes nach Deutschland. Zum 1. Januar 1957 trat es formal als Bundesland bei. Wirtschaftlich blieb es aber für gut zweieinhalb Jahren noch Frankreich verbunden. Erst zum 6. Juli 1959 löste die Deutsche Mark den Französischen Franc als Zahlungsmittel ab.
Zwischenzeitlich hatte sich durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die sogenannte „Montanunion“, auch der historische Konflikt um die Rohstoffvorkommen entschärft. Seit 1952 arbeiteten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande – die Kernstaaten der heutigen Europäischen Union – im Bereich der Montanindustrie eng zusammen und erhoben keine Zölle mehr. Dank des Freihandels spielte es keine allzu große Rolle mehr, in welchem Staat Kohlegruben und Eisenhütten arbeiteten.
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