Was wird aus der Gorch Fock (I)?
Heute vor 80 Jahren bekam die Deutsche Reichs- und Kriegsmarine ein neues Segelschulschiff, das den Namen „Gorch Fock“ erhielt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es handelt sich nicht um die Gorch Fock, die 1958 ihren Stapellauf hatte und in den vergangenen Jahren immer wieder Thema in den Medien war, auch bekannt als Gorch Fock II. Nein, die am 3. Mai 1933 getaufte Gorch Fock (I) hat eine ganz andere Geschichte. Das wird schon an ihrer Taufpatin ersichtlich, Marie Fröhlich, die Vorsitzende des Flottenbundes Deutscher Frauen war. Gemeinsam mit dem Deutschen Flottenverein hatten die Damen bei der Bevölkerung um Spenden für den Bau eines neuen Segelschulschiffes geworben, das Ersatz für die gekenterte „Niobe“ bieten sollte.
Am 27. Juni 1933 wurde die Gorch Fock in Dienst gestellt und fungierte nun als Segelschulschiff zur Ausbildung der Seekadetten. Für immerhin 198 von ihnen bot die Bark Platz. Mehr und mehr wurde es nun dunkler in Deutschland: Ab dem 27. März 1935 fuhr die Gorch Fock unter der neuen Reichsflagge. Während des Zweiten Weltkrieges war sie überwiegend verankert und diente als Wohnschiff. Sie lag an den Häfen von Stralsund, Swinemünde, Kiel und Lauterbach (Rügen) und wurde im Oktober 1944 wieder nach Stralsund verholt. Mit dem Ende des Krieges glich Deutschland einem Trümmerhaufen, und auch die Gorch Fock lag im wahrsten Sinne des Wortes am Boden: Nachdem sie am 30. April 1945 von sowjetischen Panzern beschossen worden war, versenkten deutsche Soldaten das Schiff im Meer. Nur noch die Masten der einst prachtvollen Bark ragten aus dem Wasser.
Nach dem Krieg fiel der Beschluss, dass die Gorch Fock als Reparationszahlung an die Sowjetunion gehen sollte. Nach einer aufwändigen und kostspieligen Bergung, die 800.000 Reichsmark verschlang, und einer Reparatur wurde das Schiff im September 1949 ein zweites Mal getauft und zwar auf den Namen „Towarischtsch“, was so viel wie „Kamerad“ bedeutet. Am 15. Juni 1951 begann ihre zweite Karriere als Segelschulschiff, dieses Mal im Dienste der sowjetischen Marine. 1957 absolvierte sie eine Weltreise, 1974 und 1976 gewann sie den Segelwettbewerb „Operation Sail“.
Nach dem Ende der Sowjetunion wurde die Towarischtsch ein Schiff der ukrainischen Handelsmarine. Doch 1993 wurde sie wegen Geldmangels deaktiviert. Man hätte meinen können, damit wäre die Geschichte der Gorch Fock, die sich in schlechtem Zustand befand, zu Ende erzählt, gäbe es nicht den Verein „Tall-Ship Friends“. Er brachte die Bark 1999 nach Wilhelmshaven, wo sie Flaggschiff der Expo 2000 wurde. 2003 erwarb der Verein das Schiff von der Ukraine und brachte es im gleichen Jahr wieder in ihren alten Heimathafen Stralsund. Dort wurde es wieder umgetauft in Gorch Fock.
Derzeit ist das Schiff ein schwimmendes Museum. Die Tall-Ship-Friends haben es sich aber zum Ziel gesetzt, die Gorch Fock wieder seetüchtig zu machen, wofür ein Betrag von mehreren Millionen Euro aufgebracht werden muss. Diverse Reparaturen sind bereits erfolgt. Ob das Geld reichen wird, um die Gorch Fock eines Tages wieder in Dienst zu stellen, ist ungewiss.
Osteuropa 2021/2022 (E15)
ISBN: 978-3-95402-365-3
Preis: 52,00 €
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