Thurn & Taxis’ Monopol ignoriert
Friedrich Wilhelm von Brandenburg erbte ein am Boden liegendes Land. Als er nach dem Tod von Markgraf Georg Wilhelm am 1. Dezember 1640 die Herrschaft über Brandenburg antrat, war das Land von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges gezeichnet. Zwei Gebiete des zersplitterten Territoriums, Kleve und die Mark Brandenburg, waren von schwedischen, also feindlichen Truppen besetzt. Ob das Herzogtum Preußen weiterhin zu Brandenburg zählen durfte, hing von der Entscheidung des polnischen Königs ab, der den Markgrafen belehnt hatte. Die Staatsfinanzen waren so zerrüttet, dass der Markgraf Schwierigkeiten hatte, seine Söldner zu entlohnen. Zudem hatten die marodierenden Truppen Brandenburg verwüstet und teilweise entvölkert.
Glücklicherweise konnte Friedrich Wilhelm trotz seiner gerade einmal gut 20 Lebensjahre auf einen reichen Schatz an Erfahrungen zurückgreifen. Seine Eltern hatten den 14-Jährigen nämlich 1634 in die Niederlande entsandt, seinerzeit eine europäische Macht mit moderner Verwaltung. In Leiden genoss Friedrich Wilhelm eine perfekte Ausbildung und nutzte seine Kenntnisse, um Brandenburg grundlegend nach niederländischem Vorbild zu reformieren.
Friedrich Wilhelm machte sich ans Werk und entmachtete zunächst den Reichsgrafen Adam von Schwarzenberg, den heimlichen Herrscher über Brandenburg. Mit Schweden vereinbarte er einen Waffenstillstand, mit Polen die fortdauernde Belehnung mit Preußen. Im Innern begann er mit der Umgestaltung der Verwaltung und legte damit das Fundament für die später weltweit ob ihrer Effizienz gelobte preußische Beamtenschaft. Dem niederländischen Beispiel folgend, gab er Handel und Manufakturen weitreichende Freiheiten und vervollständigte die Infrastruktur durch den Ausbau der Verkehrswege. Schließlich geht die brandenburgische Landespost zuvorderst auf Friedrich Wilhelm zurück, der wie spätere Monarchen Brandenburg-Preußens das vom römisch-deutschen Kaiser gewährte Monopol des Hauses Thurn & Taxis einfach ignorierte.
1646 heiratete er mit Luise Henriette von Oranien die älteste Tochter des Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien. In ihrem Gefolge zogen unzählige Kaufleute, Handwerker und Künstler aus den Niederlanden nach Brandenburg. Sie brachten modernste Technik mit und drückten Brandenburg bald ihren Stempel auf. Umgangssprachlich war denn auch von der „Verholländerung“ die Rede.
Wie bedeutungslos Brandenburg war, bekam Friedrich Wilhelm während der Verhandlungen zu spüren, die in den Westfälischen Frieden von 1648 mündeten. Der römisch-deutsche Kaiser vereinbarte mit den Großmächten, dass Brandenburg Vorpommern an Schweden abtreten müsse. Friedrich Wilhelm konnte dem Ergebnis nur noch zustimmen. Immerhin gelang es ihm, ausreichend Verbündete zu finden, um Brandenburg andere Gebiete einverleiben zu können. Mit dem Aufbau eines stehenden Heeres – die Finanzierung setzte er gegenüber den Ständen 1653 durch – stärkte er sodann die außenpolitische Position der Markgrafschaft.
Den Schweden war Brandenburg aber weiterhin militärisch unterlegen, weshalb Friedrich Wilhelm den Schulterschluss wählte. 1656 ließ er sich erst vom schwedischen König mit Preußen belehnen und schloss dann ein gegen Polen gerichtetes Bündnis mit Schweden. Zum Jahresende erkannte Schweden die brandenburgische Souveränität über Preußen an, im Folgejahr musste Polen das akzeptieren. Mit dem Frieden von Oliva, geschlossen 1660, war Brandenburg dann endgültig Souverän über Preußen.
Innenpolitisch setzte sich Friedrich Wilhelm unter anderem gegen die lutherischen Stände Preußens durch, die den calvinistischen Kurfürsten lange Zeit die Anerkennung verweigert hatten. Gescheiterten Verhandlungen über eine Annäherung beider Religionsgruppen in der Mark Brandenburg ließ er 1664 sein erstes Toleranzedikt folgen. Fortan drohte Lutheranern der Amtsverlust, wenn sie gegen die Calvinisten polemisierten. Toleranz forderte er aber keineswegs nur für seine eigenen Glaubensbrüder. Auf Friedrich Wilhelms Betreiben hin zogen 1671 fünfzig wohlhabende jüdische Familien aus Wien in die Markgrafschaft, die von den Immigranten nicht nur wirtschaftlich profitierte.
Im 1672 ausgebrochenen Französisch-Holländischen Krieg kämpfte Brandenburg auf Seiten der Niederländer. Einem kurzen Frieden mit Frankreich folgte 1674 der Reichskrieg gegen Frankreich, den Schweden dazu nutzte, in Brandenburg einzufallen. Brandenburg war aber dank der klugen Politik Friedrich Wilhelms inzwischen erstarkt. Daher gelang es ihm, 1675 in der Schlacht bei Fehrbellin die Schweden vernichtend zu besiegen. Zug um Zug marschierten die brandenburgischen Truppen nordwärts. 1678 hatten sie das schwedisch besetzte Vorpommern erobert. Im Folgejahr vertrieb Friedrich Wilhelm schließlich die Schweden aus Preußen. Schon zu Lebzeiten trug er daher den Beinamen „der Große Kurfürst“. Allerdings ließen ihn seine Verbündeten im Stich, weshalb Brandenburg 1679 weite Teile Vorpommerns im Frieden von St. Germain wieder verlor.
Daheim setzte er seine Reformpolitik fort und legte mit einer weisen Entscheidung die Basis für den wirtschaftlichen Aufstieg Brandenburgs. Als der französische König Ludwig XIV. 1685 begann, die Calvinisten zu unterdrücken, erließ Friedrich Wilhelm das Edikt von Potsdam. In der Folgezeit ließen sich rund 15.000 Hugenotten – die französische Bezeichnung für die Calvinisten – in Brandenburg nieder, überwiegend hoch gebildete und strebsame Menschen. Friedrich Wilhelm durfte die Erfolge seiner Politik zwar nicht mehr erleben – er verstarb am 9. Mai 1688 im 69. Lebensjahr stehend. Der Titel „Großer Kurfürst“ überdauerte aber die Zeiten. Als weitblickender Monarch überstrahlte er nicht nur viele seiner Zeitgenossen. Auch spätere Herrscher Brandenburgs und Preußens erwiesen sich eher selten Friedrich Wilhelm als ebenbürtig.
Leserbriefe
ISBN: 978-3-95402-267-0
Preis: 29,80 €
Versandkostenfreie Lieferung innerhalb Deutschlands.
Jetzt bestellen