„Mehr Furcht als Trost, mehr Schmerz als Freude“

Vor dem Petersdom zeigte sich Paul VI. 1966 nach dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, MiNr. 513 (beide Abb. Schwaneberger Verlag).

Vor dem Petersdom zeigte sich Paul VI. 1966 nach dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, MiNr. 513 (beide Abb. Schwaneberger Verlag).

Nach dem Tod von Papst Johannes XXIII. im Jahr 1963 übernahm Giovanni Battista Montini als Papst Paul VI., italienisch Paolo VI, die Leitung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das Konzil galt Anfang der sechziger Jahre als Hoffnungsträger und das nicht nur für gläubige Katholiken auf der ganzen Welt. Von außen sah man die katholische Kirche in die Moderne eintreten, sich öffnen für die Realitäten außerhalb ihrer geistigen und tatsächlichen Mauern. Das „Aggiornamento“ war das erklärte Ziel Angelo Roncallis, des damaligen Papstes Johannes XXIII., italienisch Giovanni XXIII. Eine Aktualisierung der Beziehung zwischen Kirche und Welt sollte erfolgen, die nicht katholische Welt dabei ausdrücklich mit einbezogen werden.
Bei aller Kritik daran, das Zweite Vatikanische Konzil als revolutionär zu bewerten: Die Beschlüsse, die zwischen 1962 und 1965 im Petersdom entstanden, haben die katholische Kirche nachhaltig verändert. Zentral in den Vordergrund zu stellen sind hierbei die Anerkennung der Religionsfreiheit als Grundrecht sowie die Ökumene. Fernab aller tatsächlichen inneren Veränderungen und etwaiger Liberalisierung muss also nicht zuletzt die Außenwirkung des Konzils als wichtig bewertet werden. Eine endgültige Antwort auf die nach wie vor oft diskutierte Frage, ob das Konzil tatsächlich die bedeutende Zäsur darstellte, als die es damals gehandelt wurde, bleibt offen.
Obwohl also das Zweite Vatikanische Konzil unter der Schirmherrschaft von Paul VI. ein Sinnbild für die Öffnung und Modernisierung der katholischen Kirche war – das Pontifikat Paul VI. stand nicht pauschal unter dieser Wahrnehmung. Vielmehr wurde er als pessimistischer Betrachter des Zeitgeistes wahrgenommen, als einer, der bereits zu Beginn des Konzils darauf hinwies, dass das Leben der Menschen mehr Furcht als Trost und mehr Schmerz als Freude bereithalte. Er galt als sensibel und grüblerisch. Die Beschäftigung mit den von ihm häufig proklamierten Missständen der Zeit führte zu einem stets mahnenden und besorgten Ton. Kaum ein anderer Papst der neueren Geschichte litt so unter dem Druck und den persönlichen Anforderungen des Amtes.
Schon während seiner Kindheit und Jugend im norditalienischen Concesio bei Brescia galt er als gebrechliches, oft kränkelndes, vor allem aber sehr sensibles Kind mit hohem intellektuellem Potential. Bereits früh wurde ihm soziales Engagement auf christlicher Glaubensgrundlage nachdrücklich vermittelt. Ebenso früh wurde aber auch eine gewisse Distanz des Jungen im sozialen Miteinander deutlich und eine Neigung zum Rückzug ins Innere. Nach Selbstaussage aus dem Jahr 1969 fühlte er sich zum Fremdling geworden, ausgeschlossen aus „der geschichtlichen, sozialen und menschlichen Welt“.
Neben der teilweise starken innerkirchlichen Kritik an seiner Person haben zu dieser Selbstwahrnehmung sicher auch die Reaktionen auf seine nach wie vor in kritischer Diskussion stehende Enzyklika Humanae Vitae beigetragen, die ihm den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Pillen-Paul“ bescherte. Diese 1968 erschienene Enzyklika, oft nur „Pillenenzyklika“ genannt, traf nur wenige Jahre nach Einführung der Antibabypille und zeitgleich mit den Anfängen einer neuen Frauenbewegung einen besonders empfindlichen Nerv der Gesellschaft. Die Enzyklika Humane Vitae hat das öffentliche Bild von Papst Paul VI. am stärksten und nachhaltigsten geprägt. Oft wird sie als Beispiel der gegenwartsabgewandten und patriarchalischen Struktur der katholischen Kirche zitiert.

Im Vorfeld des Heiligen Jahres 1975 sehen wir Paul VI. 1974 auf dem Thron, MiNr. 656.

Im Vorfeld des Heiligen Jahres 1975 sehen wir Paul VI. 1974 auf dem Thron, MiNr. 656.

Freundlicher in Erinnerung bleibt Paul VI. als erster Papst, der nach Afrika und Jerusalem gereist ist, oder aber auch durch die Einführung des Weltfriedenstages am 1. Januar.
Gemessen an seinen Vorgängern trat Montini als insgesamt eher gemäßigter Vertreter des höchsten Amtes der römisch katholischen Kirche in Erscheinung. Am 6. August 1978 verstarb Papst Paul VI. im Alter von 81 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo. Auf seinen Tod erlebte die Kirche das „Dreipäpstejahr“. Papst Johannes Paul I., Nachfolger auf dem päpstlichen Stuhl, starb bereits nach 33 Tagen im Amt, darauf folgte Papst Johannes Paul II. Sarah Este


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Authored by: Anatol Kraus

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