Verzicht auf Suggestion von Wirklichkeit
Gemeinsam mit Pablo Picasso begründete Georges Braque den „Kubismus“, einen künstlerischen Ansatz, der die Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts revolutionierte und in die „Klassische Moderne“ führte.
Der 1882 geborene Braque wuchs im französischen Le Havre auf. Wie sein Vater und Großvater machte er zunächst eine Ausbildung zum Häuser- und Dekorationsmaler. Er interessierte sich aber auch für Kunst, für die Malerei. In Le Havre konnte er Unterricht an der École des Beaux-Arts nehmen und seine Studien dann an der Pariser Académie Humbert fortsetzen.
Ein früher Einfluss Braques war der farbintensiv-explosive „Fauvismus“ von Künstlern wie Henri Matisse und André Derain. Eine stilistische Weiterentwicklung bewirkten die bereits reflexiveren, strukturierteren Bilder Paul Cézannes. „Der Hafen von L´Estaque“ lautete der Titel eines der Gemälde Braques, die im nahe Marseille gelegenen Fischerdorf L´Estaque entstanden, dem Ort, in dem zuvor Cézanne gearbeitet hatte. In diesen ersten Jahren des neuen Jahrhunderts stellte Braque auch bereits in Paris aus.
1907 lernte er dann Pablo Picasso kennen. In Paris besuchten sich die beiden in ihren Ateliers und diskutierten über ihre Arbeit. „Kubismus“, abgeleitet vom lateinischen „cubus“ für „Würfel“, war der Name, den man ab 1909 für den Stil verwendete, den Picasso und Braque in den nächsten Jahren entwickeln sollten. Braque berichtete von einem „täglichen Austausch“ mit dem Kollegen und Freund Picasso. Im Gegensatz zur Kunst ihres gemeinsamen und hochgeschätzten Vorbildes Cézanne war es ein nicht mehr farb-, sondern formorientierter Stil. Der Begriff kam vom Kunstkritiker Louis Vauxcelles, der in den Werken Braques die Herausstellung geometrischer, kubischer Formen beobachtete. Anders als die impressionistische Kunst der unmittelbar vorangegangenen Jahrzehnte schienen die Werke Braques und Picassos analytisch, zerlegend und zusammenfügend. Nicht wiedergebend, sondern skeptisch und kritisch gegenüber der Wahrnehmung, intellektuell statt sinnlich war ihre Kunst. Ausdrücklich betonte Braque die formgebende Bedeutung des erkennenden Geistes. Auf die Suggestion von Wirklichkeit durch Perspektivierung, eine Methode der regelrechten „illusionistischen“ optischen Täuschung, wollte er demgegenüber verzichten. Vielmehr sollte Perspektivität offen gelegt und in einer Malerei ohne Perspektive überwunden werden. Um eine versinnlichende Farbintensität zu verhindern, nutzten Braque und Picasso eher „karge“ Farben wie Grau, Ocker und Braun.
Etwas zugänglicher und „greifbarer“ als der frühe, „analytische Kubismus“, dem Braques Bilder „Weibliche Gestalt“ oder „Mann mit Geige“ zuzuordnen sind, war schon der „synthetische Kubismus“. In dessen Kontext trat mit Juan Gris ein neuer Künstler an die Seite der beiden „Ur-Kubisten“ Braque und Picasso. Nicht nur wurden die Werke nach 1912 wieder „farbiger“, neben in Bilder eingefügten Buchstaben wendete Braque für Ölgemälde wie „Die Obstschüssel“ oder „Stillleben auf dem Tisch“ auch die Collage-Technik des „Papier collé“ (deutsch „geklebtes Papier“) an. Durch das Einfügen „echter“ Materialien konnte der Kubismus dabei eine dingartige Wirklichkeit in das Kunstwerk integrieren, ohne andererseits seinen reflexiven, bis zur Form reichenden Durchdringungsanspruch durch die Behauptung einer wiedergebenden Realität schwächen zu müssen.
Nachdem Braque im Ersten Weltkrieg schwer verwundet worden war, kehrte er 1917 nach Paris zurück. Seine Arbeit veränderte sich, bewegte sich weg vom Stil der intensiven Jahre, in denen er mit Pablo Picasso den Kubismus begründet hatte. Der künstlerische Austausch der beiden fand keine Wiederbelebung. Neben Stillleben wandte sich Braque in den dreißiger Jahren auch der Bildhauerei zu. Auch fertigte er nun Lithographien und Radierungen an. Seit 1925 war er mit Marcelle Lapré verheiratet.
George Braque starb am 31. August 1963 in Paris.
Osteuropa 2021/2022 (E15)
ISBN: 978-3-95402-365-3
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