„Eine erschütternde Erfahrung von Realität“
„Klarheit, Stille und Übereinstimmung“: Zu solchen „Zuständen“ oder Momenten zu führen, darin lag für Thomas Stearns Eliot eine wesentliche Bedeutung der Kunst. Als T. S. Eliot wurde er vor allem mit seiner Lyrik nicht nur zu einem der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne, sondern auch zu einem der bedeutendsten Poeten des 20. Jahrhunderts überhaupt. Vor 125 Jahren, am 26. September 1888, kam er im amerikanischen Bundesstaat Missouri zur Welt. Berühmt wurde er allerdings von England aus. Nicht New England, wo er als Kind viele Sommer mit seiner wohl situierten Familie verbrachte. Eliots umfangreiche akademische Studien begannen in Harvard, aber sie führten ihn anschließend nach Paris und schließlich nach Oxford. Eliot studierte Literaturwissenschaft und Philosophie. Bevor er 1914 nach England ging, hielt er sich für kurze Zeit auch in Marburg auf. Das Leben von Akademikern, das er in den Universitätsstädten und rund um die Universitäten sehen konnte, behagte ihm aber nicht. „Oxford is very pretty, but I don´t like to be dead“, schrieb er einmal einem Freund. Eliot zog die unabhängigeren intellektuellen und künstlerischen Kreise Londons vor. In die führte ihn sein früher Förderer, der amerikanische Dichter-Kollege Ezra Pound, ein. So machte Eliot auch Bekanntschaft mit dem Philosophen Bertrand Russel. Der hatte später allerdings wahrscheinlich eine kurze Affäre mit Eliots Frau Vivienne.
Eliot lernte sie 1915 kennen. Und noch im Sommer desselben Jahres heirateten die beiden. Die Ehe war aber sehr schwierig. Viviennes turbulenter Weg führte schließlich in ein Sanatorium. Und der zeitweilig schwer mitgenommene Eliot distanzierte sich. Zur Scheidung kam es aber nicht. Zehn Jahre nach Viviennes Tod im Jahr 1947 heiratete Eliot noch einmal. Die sehr viel jüngere Valerie Fletcher verwaltete sein literarisches Erbe bis zu ihrem Tod 2012. Sie sprach davon, dass Eliot eine glückliche Ehe und ein glückliches häusliches Leben aus tiefem Inneren gesucht habe. Schon 1917 erlangte Eliot mit der von Pound finanziell und auch künstlerisch unterstützten Veröffentlichung des Gedichtbandes „Prufrock and other observations“ enorme Anerkennung. Darin fand sich mit „The Love Song of J. Alfred Prufrock“ eines seiner berühmtesten Gedichte. „The Waste Land“ war 1922 das andere frühe Werk, das Eliots außerordentlichen Ruhm begründete.
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Einer illusionslosen und skeptischen Wahrnehmung der Realität – auch einer erschütterten Erfahrung von Realität, von Zerfall, nach dem Ersten Weltkrieg – stand hier noch kaum die Möglichkeit einer religiösen Orientierung gegenüber. Eine solche kennzeichnete aber bereits das acht Jahre später erschienene „Ash Wednesday“ oder das Drama „Murder in the Cathedral“ von 1935. Eliot hatte sich zu dieser Zeit schon als Konservativen, als Traditionalisten beschrieben, hatte sich als „classicist in literature, royalist in politics, and anglo-catholic in religion“ bezeichnet. Orientierung, Ewigkeit – die Reflexion dieser Komponenten war für den überaus sensiblen, tiefgehend und komplex wahrnehmenden Eliot von großem Interesse.
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Der von französischen Symbolisten wie Laforgue und Rimbaud beeinflusste Dichter maß der Kraft poetischer Form im Licht zweifelhafter und zersplitterter historischer Gegenwart große Bedeutung zu. Er beschäftigte sich darüber hinaus nicht nur mit dem christlichen Glauben, sondern auch mit buddhistischen Gedanken. Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb Eliot vor allem Dramen. Seine letzte große, vierteilige Lyrik-Veröffentlichung „Four Quartets“ von 1943 reichte, was die Publikumsreaktion betraf, fast an den Erfolg von „The Waste Land“ heran. Eliot selbst war ebenfalls überzeugt von der Arbeit. Im Jahr 1948 erhielt er den Literatur-Nobelpreis „für seinen herausragenden, bahnbrechenden Beitrag zur modernen Dichtung“.
Eliot war allerdings nie ausschließlich als Schriftsteller tätig. Sein Status einer literarischen Autorität war auch der eines Kritikers, Essayisten und Herausgebers. In den frühen Jahren in England arbeitete Eliot als Lehrer. Dann bekleidete er eine gehobene Stelle bei der Londoner Lloyds Bank. Schließlich wurde er mit großem Erfolg und Einfluss Herausgeber und Direktor beim Verlagshaus Faber & Faber. Nach 1922 war Eliot zudem Herausgeber der Literatur-Zeitschrift „Criterion“. Für eine kurze befristete Lehrtätigkeit ging Eliot Anfang der 30er-Jahre noch einmal zurück nach Harvard. 1927 war er aber schon englischer Staatsbürger geworden und zum Anglo-Katholischen Glauben übergetreten. Bis zu seinem Tod am 4. Januar 1965 in London blieb Eliot in England.
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