Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind
Sollten heute Kinder bei Ihnen vor der Haustür auftauchen und singend nach Süßigkeiten verlangen, hat dieser Wunsch eine doch etwas sinnigere Begründung, als beim letzten Mal. Während „Halloween“ wohl vor einigen Jahrzehnten mehr oder weniger auf Initiative der Süßwarenindustrie in unseren Breiten Verbreitung fand, lässt sich das „Martinssingen“ doch schon seit Jahrhunderten nachweisen. Heute, am 11. November, ist Martinstag, und dieser wird zur Erinnerung an den Heiligen St. Martin begangen. Dieser Heilige, Martin von Tours, lebte vor mehr als 1600 Jahren, im 4. Jahrhundert nach Christus. Geboren wurde er um das Jahr 316 herum in der römischen Provinz Pannonien, dem heutigen Ungarn, als Sohn eines römischen Offiziers. Mit 15 Jahren wurde er eingezogen und war ab 334 als Soldat der Kaiserlichen Garde in Amiens stationiert.
Und hier begab sich nun jene Geschichte, die das Andenken an „St. Martin“ wachhält: Mitten im Winter begegnete Martin am Stadttor von Amiens einem armen, unbekleideten Mann, der die Vorbeigehenden bat, sich seiner zu erbarmen. Da aber niemand der anderen Menschen sich anschickte, dem Bettler zu helfen, schritt Martin zur Tat: Da er nichts anderes als seine Waffen und seinen Mantel bei sich trug, griff er zum Schwert, teilte seinen Mantel in zwei Hälften, und gab die eine Hälfte dem Armen. In der folgendem Nacht soll ihm Jesus Christus im Traum erschienen sein, der mit dieser anderen Hälfte des Mantels bekleidet war.
Martin, der sich in der Folge vergeblich um seine Entlassung aus dem Militärdienst bemühte, wurde im Jahr 351 getauft und im Jahr 356 nach Ableistung seiner Dienstzeit aus dem römischen Heer verabschiedet. Danach lebte er einige Jahre als Einsiedler auf einer kleinen Insel an der Riviera, wurde aber durch seine guten Taten bald in der ganzen Gegend bekannt. Als im Jahr 372 ein neuer Bischof für die Stadt Tours gesucht wurde, soll er schließlich „auf Drängen des Volkes“ das Amt erhalten haben. Angeblich gegen seinen Willen: So berichtet eine Legende, dass er sich in einem Stall versteckt habe, um der Wahl zum Bischof zu entgehen, er aber durch schnatternde Gänse verraten worden sei. Aus dieser Geschichte dürfte der Brauch des Martinsgansessens entstanden sein.
Als Bischof wirkte Martin, bescheiden und hilfsbereit, bis zum Jahr 397, in dem er am 8. November auf einer Missionsreise starb. Am 11. November wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Tours beigesetzt. Dieser Tag wurde schon bald in der ganzen Kirche als hoher Festtag begangen. König Chlodwig I. (466 – 511) erhob Martin schließlich zum Nationalheiligen und zum Schutzherrn der fränkischen Könige. Sein Mantel galt als Reichskleinod, wurde seit 679 am Königspalast in Paris aufbewahrt und auf allen fränkischen Feldzügen mitgeführt. Mit der Ausdehnung des fränkischen Reiches breitete sich der Martinstag dann auch bis in unsere Breiten aus. Aufs Pferd wurde der Heilige allerdings wohl erst von späteren Generationen gesetzt.
MICHEL Iberische Halbinsel 2022
107. Auflage, 896 Seiten, kartoniert
Preis: 54,00 €
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Sehr schön, Herr Angerstein –
besonders die Passage über die Bescheidenheit des Bischofs Martin (Limburg liegt bei uns gleich nebenan). Aber im 1. Absatz muss es doch heißen: im 4. Jahrhundert nach Christus.
Kann passieren, beste Grüße Walter Köcher
Vielen Dank, Herr Köcher! Da hatte ich zwar „nach“ -gedacht, jedoch …