Politischer Dichter & Philologischer Sammler
Von ihm stammt das „Lied der Deutschen“, das nach seinem Tod am 19. Januar des Jahres 1874 im Lauf des 20. Jahrhunderts zur deutschen Nationalhymne avancierte. Besonders im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus handelt es sich dabei um eine problematische und wechselhafte Rezeptionsgeschichte. Heute wird die dritte Strophe des Liedes gesungen, dem sein Autor, Hoffmann von Fallersleben, eine musikalische Komposition von Joseph Haydn zuwies. Neben politischen Gedichten schrieb von Fallersleben z.B. mit „Alle Vögel sind schon da“ und „Ein Männlein steht im Walde“ auch populäre und noch heute bekannte Kinder- und Volkslieder. Er war jedoch nicht nur Dichter, sondern auch Sprach- und Literaturwissenschaftler. Antrieb für das systematische Suchen und Sammeln wie für das Schreiben von Gedicht- und Liedtexten waren zum einen von Fallerslebens philologische und künstlerische Professionen. Hinzu kam ein in Richtung einer liberalen demokratischen und bürgerlichen Ordnung zielendes politisches Streben nach einer deutschen Nation und damit zusammenhängend einem deutschen Nationalbewusstsein.
Der Dichtername Hoffman von Fallersleben bezog sich auf seinen niedersächsischen Geburtsort. August Heinrich Hoffmann studierte zunächst Theologie in Göttingen, bald aber Klassische Philologie und konzentrierte sich mit der Zeit und nunmehr in Bonn auf die deutsche Sprache und Literatur. In den 1820er-Jahren kam er für bibliothekarische Anstellungen nach Preußen und erhielt im Zuge seiner historisch orientierten Sammlungs- und Herausgeberaktivitäten zu deutschsprachiger Volksdichtung und Volksliedern, aber auch zur altniederländischen Sprache und Literatur schließlich in Breslau eine Professur für Deutsche Philologie.
Als er das „Lied der Deutschen“ textete, war Hoffmann von Fallersleben Jahre 43 Jahre alt. Man schrieb das Jahr 1841, und mit seinen verknüpften Betätigungsfeldern und Anliegen stand der schon seit seiner Jugend dichtende Hochschullehrer nicht allein. Auf eine geeinte deutsche Nation zielten die zahlreichen Akteure und Befürworter der politischen Unternehmungen, die schließlich zu der scheiternden „Märzrevolution“ und „Deutschen Revolution“ der Jahre 1848 und 1849 führen sollten. Viele davon gab es in studentischen Verbindungen, wie jener, mit der auch von Fallersleben als angehender Akademiker in Kontakt gekommen war. Besonders durch 1840 im Kontext der „Rheinkrise“ erhobene französische Ansprüche auf Bereiche, die zu dieser Zeit zum Deutschen Bund gehörten, wurden auch von Fallerslebens Vorstellungen einer weitreichenden nationalstaatlichen Zusammenfassung deutscher Gebiete noch intensiviert. Als Student hatte von Fallersleben auch die Brüder Grimm kennengelernt. Mit den beiden in ähnlicher Richtung aktiven Sprach-und Erzählforschern, die vor allem wegen ihrer Sammlungen von Märchen berühmt werden sollten, unterhielt er einen jahrelangen Austausch. Dem Titel entgegen traten von Fallerslebens kritische Ansichten zu willkürlichen und restriktiven politischen und rechtlichen Verhältnissen in vielen separaten deutschen Fürstentümern auch in der Sammlung „Unpolitische Lieder“ von 1840 deutlich zu Tage. Aus diesem Grund wurde er 1842 von der preußischen Regierung schließlich aus dem universitären Dienst entlassen. In preußischen Gebieten war von Fallersleben in der Folge offiziell unerwünscht.
Nach den revolutionären Geschehnissen von 1848/1849 wurde der Bann, der für von Fallersleben zu unruhigen Jahren an wechselnden Aufenthaltsorten geführt hatte, jedoch wieder aufgehoben. Bevor er 1860 auf dem Schloss Corvey bei Höxter seine letzte und abermals bibliothekarische Arbeitsstätte fand, war von Fallersleben in den 1850er-Jahren in Weimar zusammen mit dem Germanisten Oskar Schade unter anderem mit der Herausgabe des sechsbändigen „Weimarischen Jahrbuchs für deutsche Sprache, Literatur und Kunst“ beschäftigt.
Im Zuge einer Betrachtung des Werks und der Biographie Hoffman von Fallerslebens als Dichter des „Vormärzes“ kann auch eine weitere Beschäftigung mit politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen im Deutschland des 19. Jahrhunderts erfolgen. Neben Bestrebungen nach freiheitlichen, demokratischen und rechtstaatlichen Verhältnissen im Rahmen eines Nationalstaats zeigen sich dabei auch nationalistische Tendenzen, die mit Vorstellungen vermeintlicher „wesensmäßiger“ oder genuin „deutscher“ Zusammengehörigkeit operieren und dabei Abgrenzungen gegen vermeintlich „Fremdes“ vornehmen.
Liechtenstein-Spezial 2019/2020
ISBN: 978-3-95402-283-0
Preis: 46,00 €
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