Manly behaviour
Wohin mit Verbrechern und Gaunern? Diese Frage stellte sich den Briten, nachdem sie den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg verloren hatten. Bis dahin wurden unliebsame Zeitgenossen einfach über den Großen Teich deportiert. Aus den Augen, aus dem Sinn. Als die 13 Kolonien in Nordamerika verloren waren, brauchten die Briten ein anderes Riesengefängnis, denn das Strafrecht diente seinerzeit in erster Linie dazu, die wachsende Unterschicht zu dezimieren. Schon Kleinigkeiten konnten die Verbannung nach sich ziehen.
Fündig wurden die Verantwortlichen am anderen Ende der Welt. Am 28. April 1770 hatte James Cook die Ostküste Australiens erreicht und das Land für die Krone in Besitz genommen. „New South Wales“ nannte er die Kolonie. Zwar war der Südkontinent schon zuvor von anderen Seefahrern entdeckt und in einigen Bereichen sogar erforscht worden. Abel Tasmans Benennung „Neuholland“ galt sogar bis 1824 als Name des Kontinents. Als erster aber ging Cook gezielt und systematisch vor. Offiziell sollte er 1769 die Passage der Venus vor der Sonne beobachten. Die Erforschung der Gebiete um den 40. südlichen Breitengrad gehörte zu den geheimen Aufträgen, die Cooks Mannschaft zu erledigen hatte.
Nach der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten kam den Briten der Besitz des Südkontinents sehr gelegen. Cooks Unterlagen reichten aus, eine Sträflingskolonie zu planen. Zu deren Gouverneur wurde Marineoffizier Arthur Phillip ernannt. Im Mai 1787 machte er sich mit elf Schiffen auf den Weg. „First Fleet“ – Erste Flotte – nannte er den Tross mit dem Flaggschiff HMS „Sirius“, dem Marineschiff HMS „Supply“ und sechs mit Sträflingen besetzten Schiffen, den Transportern „Alexander“, „Charlotte“, „Friendship“, „Lady Penrhyn“, „Prince of Wales“ und „Scarborough“. Begleitet wurden sie von den Versorgern „Borrowdale“, „Fishburn“ und „Golden Grove“. 550 Besatzungsmitgliedern standen 756 Strafgefangene gegenüber.
Mitte Januar 1788 erreichte der Konvoi die Ostküste Australiens. Der Plan, auf Empfehlung Cooks in der Botany Bay an Land zu gehen, ließ sich nicht verwirklichen, da dort Süßwasservorkommen fehlten. Daher segelten die Schiffe weiter nordwärts und erkundeten schließlich Port Jackson. Als erstes erreichten die Schiffe am 21. Januar eine Bucht, in der sie von Angehörigen der Tharawal begrüßt wurden. Von ihrem Auftreten zeigte sich Phillip außerordentlich beeindruckt – „manly behaviour“. Spontan nannte er die Buch „Manly Cove“. Der vor 226 Jahren verliehene Name bezeichnet heute einen Stadtteil Sydneys. In größerem Stil besiedelt wurde die Gegend erst Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei Manly zunächst als Ausflugsgebiet galt. Heute zählt Manly rund 15.000 Einwohner und gehört zu den Stadtteilen Sydneys, die sich einen kleinstädtischen Charakter bewahrt haben, ohne ihre Zugehörigkeit zur 4,6-Millionen-Metropole Sydney zu leugnen.
Arthur Phillip entschied sich gegen eine Landung in Manly. Der Konvoi zog weiter und ging schließlich am 26. Januar auf der anderen Seite des Naturhafens vor Anker. Die Bucht erhielt den Namen „Sydney Cove“, benannt nach dem damaligen britischen Innenminister Thomas Townshend, Viscount Sydney. Dort nahm Phillip seinen Sitz und blieb bis 1792 Gouverneur von New South Wales, dessen Hauptstadt Sydney bis heute ist.
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