Der Herrschaft der Vernunft entfliehen
Wieviel Bedeutung hat das Geheimnisvolle und Mythische für den modernen Menschen? Nicht viel, möchte man spontan sagen. In unserer Welt scheint die Vernunft zu regieren, genau genommen eine besondere Spielart technokratischer Rationalität. Zweifeln Sie manchmal daran? Dann sind Sie im prominenter Gesellschaft. Es hat immer wieder Künstler gegeben, die uns unsere mythische Seite brillant vor Augen geführt haben. Pablo Picasso war ein Meister darin, die archaischen Wurzeln des Menschen zu thematisieren oder auch Paul Klee. Nicht zu vergessen ist der dänische Künstler Asger Jorn.
Asger Oluf Jørgensen wurde am 3. März 1914 in einem kleinen Ort in Jütland geboren. Neben privaten Malstunden war für die frühe Kindheit Asgers die Bekanntschaft mit dem Anarchosyndikalismus entscheidend. Kunst und Politik sollten die Themen seines Lebens sein. Er weigerte sich lange Zeit, die USA zu betreten, da er dort eine Erklärung hätte unterzeichnen müssen, kein Kommunist zu sein. So stellte er erst 1962 in der „Lefebre Gallery“ in New York aus. Aus diesem Grund befinden sich seine Kunstwerke bis heute fast ausschließlich in Europa. 1936 zog es den jungen Asgar nach Paris, um bei dem Maler und Kunstfälscher Fernand Léger zu studieren. Als Dänemark vom nationalsozialistischen Deutschland besetzt wurde, kehrte er in sein Heimatland zurück, um sich am Widerstand zu beteiligen.
Das politische Engagements Asgers blieb nicht ohne Spannungen. Diese entstanden aus den grundlegenden Parametern seiner Identität. Er war geprägt durch anarchistische Vorstellungen einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Im Kampf gegen den Nationalsozialismus blieb eine Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei nicht aus. Da diese sich lange Zeit bedingungslos gegenüber dem Stalinismus loyal erklärte, war ein Konflikt vorprogrammiert, zumindest ein Gewissenskonflikt. Diese Problematik trat bei vielen freien Geistern, die sich im Widerstand engagierten, zu Tage, z.B. auch bei Albert Camus. Jorn trat schließlich aus der KP aus, da er diese als beengend wahrnahm. Zu dieser brisanten politischen Konstellation kam als weiteres Motiv ein spezielles Motiv nordeuropäischer Gesellschaften: Die kulturelle Verankerung im Protestantismus und damit verbunden die Verpflichtung zu Schlichtheit und Bescheidenheit.
Seine erste Einzelausstellung hatte er 1948 in Paris. Zur gleichen Zeit war er Mitbegründer der Gruppe Cobra. Der Name setzt sich aus den Städtenamen Copenhagen, Brussels und Amsterdam zusammen, den Wirkungsstätten der Gründungsmitglieder. Mit dabei waren die Maler Karel Appel, Guillaume Cornelis Beverloo, Christian Dotremont, und Joseph Noiret. Das Ziel dieser Gruppe war es, die totale Ausdrucksfreiheit der Kunst zu propagieren, insbesondere in der Malerei. Seine theoretischen Schriften brachten ihm schließlich auch den Ruf eines maßgeblichen Kunstphilosophen ein. In seinen eigenen Worten liest sich Kunst so:
„In unserem Experiment versuchen wir, Gefühle spontan auszudrücken, ohne der Vernunft irgendeine Kontrolle darüber zu erlauben. Unser Ziel ist es, der Herrschaft der Vernunft zu entfliehen […], um ein selbst bestimmtes Leben zu führen.“
Als er Anfang der 1950er Jahre krank und verarmt an die Orte seiner frühen Jugend in Dänemark zurückkehrte, fand er den Stil, der ihn berühmt machen sollte. Seine Bilder sind spontan, greifen Elemente der nordischen Mythologie und chinesischen Kalligrafie auf. Sein künstlerisches Projekt kann als Forschungsmethode verstanden werden, den mythischen Kern des Menschen zu erkunden. Dies erinnert an die oft flüchtig wirkenden Zeichnungen Paul Klees.
Asger Jorn starb am 1. März 1973 in Aarhus. Es gibt mehrere Orte, an denen seine Werke heute ausgestellt werden, unter anderem die Kunsthallen Bremen und Emden und die Städtische Galerie München. Wer in die Niederlande reist, kann in der Provinz Nordholland das Cobra Museum besuchen. Dieser Ort ist dem Schaffen seiner Kunstgruppe gewidmet.
Leserbriefe
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