Der „Apostel der Deutschen“
Als das achte Jahrhunderte seinen Lauf nahm, war in Thüringen, Hessen, Bayern und Friesland ein englischer Bischof unterwegs, um dort, besonders bei sich bekehrungsunwillig zeigenden lokalen Gruppen, den christlichen Glauben und sein Kirchenwesen zu verbreiten. Bonifatius („der Wohltätige“) ging im Auftrag der Päpste, und er verkündete, bewarb und installierte das Christentum und seine Kirche. Manchmal wurden eben gewonnene Heiden und Abergläubische unter seiner Ägide auch gleich getauft. Wegen dieser engagierten christianisierungspraktischen Maßnahmen, wegen seiner glaubensbringenden Rolle, wird Bonifatius öfter als „Apostel der Deutschen“ bezeichnet, und in der Katholischen Kirche hat er den Status eines Heiligen inne. Am Ende, schon in hohem Alter, verlor der Heilige Bonifatius während seiner weiterhin fortgesetzten bzw. noch ein weiteres Mal aufgenommenen missionarischen Reisetätigkeit sein Leben. Mit seinem Gefolge wurde er am 5. Juni 754 im heute zu den Niederlanden gehörenden Dokkum überfallen und ermordet.
In Abstimmung mit den römischen Kirchenoberen verfolgte der Benediktiner in seinen beinahe vierzig Jahre andauernden Bemühungen weniger das Ziel, als Wandermönch zu predigen oder Konvertiten zu sammeln. Es ging vielmehr darum, die römische Kirche als in den deutschen Regionen präsente Institution zu etablieren und zu stabilisieren, damit sie als bürokratisch vernetztes und gleichzeitig römisch zentralisiertes Gebilde ihre Wirkung entfalten und sichern konnte. Bonifatius selbst wurde im Zuge dessen Bischof von Mainz, er bestimmte mit päpstlicher Autorisierung andere zu demselben Amt, ließ Klöster und Kirchen errichten sowie die kirchlichen Verwaltungsbezirke, die Diözesen und Bistümer, strukturieren und ausbauen. Und, so heißt es, im Fall der symbolträchtig zum Einsturz gebrachten „Donareiche“ im hessischen Geismar beseitigte er tatkräftig, vielleicht sogar eigenhändig, ein Heiligtum der andersgläubigen Anhänger des Gottes „Donar“. Mittels dieser punktuellen Rodung, oder vielmehr anhand ausbleibender Reaktionen der hessisch-heidnischen Entsprechung „Thors“, sagte man bald nach Bonifatius` Tod, sollte dem ortsansässigen Stamm der „Chatten“ ihr Irrglaube gezeigt werden.
Inwieweit es sich bezüglich seines Todes um einen brutalen Raubüberfall oder eine speziell gegen seine religiösen Aktivitäten gerichtete Tat handelte, ist Gegenstand historischer Forschung. Gegenstand ihn betreffender Darstellungen hingegen waren im Lauf der Zeit, wie auch das bildlich eindrucksvoll verarbeitete Fällen des Geismarer Baumes, der Märtyrertod des Bonifatius und sein legendärer Überlebenskampf, bei dem er sich mit einem Buch, dem „Codex Ragyndrudis“, vor Schwertschlägen zu schützen suchte. Besagter, in der Tat spurenbehafteter „Codex“ befindet sich heute in Fulda. Vor allem aber ist dort, im Fuldaer Dom, das Grab des hochverehrten Missionars und Kirchenorganisators zu finden. Mit jener hessischen Stadt war der Heilige Bonifatius durch die Gründung des Klosters Fulda verbunden, die er veranlasst hatte, und die dortige Bestattung war sein Wunsch gewesen. Ein Mal im Jahr versammelt sich dort heute die Konferenz der deutschen Bischöfe.
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