Gründerfigur der französischen Linken
Er war einer der Gründer der „Parti Socialiste Français“ („Französische Sozialistische Partei“), arbeitete als Philosophieprofessor und Journalist. Er plädierte für ein friedliches Verhältnis mit dem Deutschen Reich und stellte sich bis zuletzt gegen den drohenden Weltkrieg. Vor genau 100 Jahren, am 31. Juli 1914, wurde Jean Jaurès Opfer eines tödlichen Attentats. Von einem nationalistischen Fanatiker wurde er in einem Pariser Café erschossen. Nach dem Besuch der renommierten Pariser Hochschule „École Normale Supérieure“ war eine akademische Laufbahn nicht ungewöhnlich. Auch der im südfranzösischen Castres geborene Jaurès unterrichte nach seinem Abschluss in der Hauptstadt im Jahr 1881 bald selbst an der Universität von Toulouse. Doch gleichzeitig wurde er in diesen Jahren zum Politiker. 1885 wählte man den 26-jährigen, zu diesem Zeitpunkt noch den Republikanern zugehörig, zum ersten Mal als Abgeordneten der Nationalversammlung. Speziell in Zusammenhang mit dem Bergarbeiteraufstand von Carmaux im Jahr 1892, bei dem er die streikenden Bergleute unterstütze, entwickelten und intensivierten sich dann die sozialistische Perspektive, das Engagement und auch die Beliebtheit des kurz zuvor promovierten Marx-Lesers Jaurès.
Wissenschaftlich wie journalistisch schrieb er im Lauf der Zeit für die „Depêche de Toulouse“ und die 1904 gegründete, eng mit der PSF verbundene Zeitung „L´Humanité“ („Die Menschheit“). Zudem veröffentlichte Jaurès Bücher zum „Deutsch-Französischen Krieg“ von 1870/71 und zur „Französischen Revolution“.
Deren Prinzipien und Forderungen sollten seiner Ansicht nach in einer fortschreitenden sozialistischen Reform der Gesellschaft münden. Anders als die klassenkämpferischere und revolutionäre „Parti Socialiste de France“ („Sozialistische Partei Frankreichs“), war Jaurès demokratisch-republikanisch orientierte Partei dabei prinzipiell bereit, mit „bourgeoisen“ Parteien zu kooperieren und an Regierungen zu partizipieren. Als sich die zwei konkurrierenden sozialistischen Gruppen trotz dieses gewichtigen Streitpunktes 1905 in der „Section française de l`internationale ouvrière“ („Französische Sektion der Arbeiter-Internationale“) zusammenschlossen, war Jaurès nicht nur einer der wesentlichen Motoren und designierten Parteiköpfe, sondern längst auch eine der bekanntesten linken Figuren Europas.
Dies auch infolge seines Einsatzes für den 1894 unschuldig wegen Spionage zugunsten des deutschen Feindes von 70/71 verurteilten und erst nach jahrelangen Prozessen rehabilitierten jüdischen Offizier Alfred Dreyfus. An der „Dreyfus-Affäre“, die an der Jahrhundertwende die ganze noch junge „Dritte Französische Republik“ beschäftigte, entzündeten sich und trafen antisemitische, militaristische und nationalistische einerseits sowie demokratische und republikanische Positionen andererseits aufeinander.
Ersteren und speziell der Forderung nach einer kriegerischen und auf eine Rückeroberung der Regionen Alsace/Elsass und Lorraine/Lothringen zielenden Revanche gegen die ehemaligen deutschen Kriegsgegner hing auch der Mörder von Jean Jaurès, Raul Villain, an. Jaurès hingegen bemühte sich diesbezüglich um Annäherung und lehnte aggressive und kolonialistische Außenpolitik generell ab. Der seit 1886 verheiratete zweifache Familienvater engagierte sich vielmehr im Rahmen einer internationalen sozialistischen Bewegung, der „Zweiten Internationale“, und pflegte den Austausch und die Kooperation mit der deutschen sozialdemokratischen Partei. Gegen den fatalen militaristischen Nationalismus, der darin an der Wende zum 20. Jahrhundert sowohl in Deutschland als auch in Frankreich vor allem „Landesverrat“ und Schwäche erkannte, konnte sich eine solche Haltung, dies zeigte sich im Zuge und in der Nachfolge des Sommers 1914, nicht durchsetzen.
Plattenfehler Deutsches Reich 1872-1945
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