Der „Todfeind“
Nicht nur aufgrund seiner Prosa und Dramatik, sondern auch mit kulturgeschichtlichen und anthropologischen Überlegungen erlangte der vor 20 Jahren, in seinem 90. Lebensjahr verstorbene Autor Elias Canetti weltweite Bekanntheit. Im Jahr 1981 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Seine Jugend verbrachte der in Bulgarien geborene und mit seiner Familie bald nach England gezogene Canetti nach dem frühen Tod seines Vaters in Österreich, der Schweiz und Deutschland. In Wien studierte Canetti Chemie, promovierte und lernte seine erste Ehefrau Veza Taubner-Calderon kennen. Erst als die Zwanziger-Jahre vorbei waren, trat er, literarisch vor allem vom Wiener Schriftsteller Karl Kraus und Franz Kafka beeinflusst, mit „Die Blendung“ in Erscheinung. Der nur allmählich erfolgreiche und einzige Roman Canettis erzählt, wie der ausschließlich auf die geistige Sphäre seiner privaten Bibliothek konzentrierte Gelehrte Peter Kien in eine Ehe mit seiner manipulativen Haushälterin gerät und im Zuge dessen dem Wahnsinn verfällt.
Ende der Dreißiger-Jahre flohen Canetti, der aus einer Familie sephardischer Juden stammte, und seine Frau nach England. Auch dort hatte er Kontakt mit Künstlern und Intellektuellen. Die Beziehung der beiden begleiteten diverse Liebschaften Canettis, von denen die ihrerseits schreibende Veza nicht nur wusste, sondern mit denen sie zumindest teilweise auch einverstanden war. Seine fast 10 Jahre ältere Frau starb, zum großen Kummer Canettis, schon 1963.
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Canettis lange Jahre andauernde Auseinandersetzung mit politischen und sozialen, oftmals gewalttätigen Massenphänomenen, wie sie speziell die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts kennzeichneten, kulminierte 1960 in der umfangreichen Studie „Masse und Macht“. Das berühmte, weniger streng wissenschaftlich angelegte als frei nachdenkend konzipierte Werk fragt nach dem Verhältnis von Einzelnem und Menge, Individualität und Gleichheit sowie einzelnen Anführern und kollektiver Bewegung.
Immer wieder beschäftigte sich Canetti, der nach vielen Jahren in London schließlich vor allem in Zürich lebte, daneben mit dem Tod und den Formen, wie der Mensch mit diesem im Lauf der Zeit umgegangen war und ihm in Gegenwart und Zukunft begegnen könne. „Das Buch gegen den Tod“, eine, was die emphatische Haltung des Autors zum Thema betrifft, aussagekräftig betitelte Sammlung bis dato unveröffentlichter Aufzeichnungen, ist jedoch erst nach dem Ableben des erklärten „Todfeindes“, im Jahr 2014 herausgegeben worden.
An der Veröffentlichung beteiligt war seine einzige Tochter Johanna, die aus zweiter Ehe mit der beinahe 20 Jahre jüngeren Hera Buschor hervorging. Auch Canettis zweite Ehefrau starb, an Krebs erkrankt, bereits 1988.
Eine aus mehreren Bänden, „Die gerettete Zunge“, „Die Fackel im Ohr“ und „Das Augenspiel“, bestehende Autobiografie hingegen legte Elias Canetti selbst vor. Bereits vor seinem 40. Geburtstag hatte er mit den Aufzeichnungen seines an Individualität, frühen Toden im nahesten Umfeld sowie fortwährender Reflexion reichen Lebens begonnen.
Südosteuropa 2022 (E 8)
ISBN: 978-3-95402-388-2
Preis: 59,00 €
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