Sehnsucht nach Frieden
Jitzchak Rabin war von 1974 bis 1977 sowie ein zweites Mal ab 1992 Ministerpräsident Israels. Mehr als jeder andere führende Politiker des 1948 gegründeten Staats vor und nach ihm steht er für richtungsweisende Bemühungen, den jahrzehntelangen und blutigen Konflikt zwischen Israel und Palästinensern sowie weiteren nahegelegenen arabischen Ländern beizulegen. Im Jahr 1994 erhielt Rabin dafür den Friedensnobelpreis. Neben ihm wurde die Stockholmer Auszeichnung nicht nur dem Außenminister seiner damaligen Regierung und späteren Amtsnachfolger, Shimon Peres, sondern auch dem „PLO“ („Palestine Liberation Oganization“)-Chef Yassir Arafat verliehen, der Rabins Gesprächspartner auf der feindlichen Seite war.
Es waren Jahre friedensorientierter politischer Entwicklungen im dauerhaften Krisengebiet, die weltweit Hoffnungen auf eine längerfristige Beruhigung der Lage auslösten. Besonders der „Osloer Friedensprozess“ ab 1993, welcher den Abzug israelischer Truppen aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen sowie eine palästinensische Selbstverwaltung zum Inhalt hatte, wurde diesbezüglich als historischer Wendepunkt wahrgenommen. Die Chance auf ein mögliches Ende der gewaltvollen Auseinandersetzungen und den Eingang in ein friedliches Zusammenleben schien trotz aller weiterbestehenden Widrigkeiten näher als jemals zuvor. Der amtierende israelische Ministerpräsident hatte entscheidenden Anteil daran. Doch vor genau 20 Jahren, am vierten November 1995, wurde Jitzschak Rabin Opfer eines tödlichen Attentats.
Bevor er sich zunächst als Diplomat in Washington auf die Politik konzentrierte, war der 1922 in Jerusalem Geborene Soldat und nahm an den diversen aufeinanderfolgenden Kriegen des jungen Israels mit dessen arabischen Nachbarstaaten teil. Rabin machte beim Militär Karriere und wurde schließlich Generalstabschef. Im Jahr 1948 heiratete er Leah Schloßberg, die 1933 mit ihrer Familie aus Deutschland geflohen war. Die beiden hatten zwei Kinder, den Sohn Yuval und ihre Tochter Dalia. Bevor das israelische Parlament, die „Knesset“, seine zweite Amtszeit als Ministerpräsident beschloss, war Rabin seit Mitte der 1980er-Jahre Verteidigungsminister. In dieser Zeit kam es auch zum ersten großen Palästinenseraufstand, der „Intifada“, gegen die Rabin mit harter Rhetorik vorging und ein heftiges Handeln der Armee anordnete.
Am Abend des vierten Novembers 1995 hielt Rabin eine Rede während einer Friedenskundgebung auf dem Tel Aviver „Platz der Könige Israels“. Unter den Menschen im Publikum befand sich Igal Amir, ein radikaler Gegner israelischer Friedenspolitik. In seinen und in den Augen von Anhängern extremer Positionen, deren Diffamierungen Rabins in den vorangegangen Monaten zugenommen hatten, war der um Dialog bemühte Politiker ein Verräter israelisch-jüdischer Interessen. Der 27-jährige Amir schoss auf den Ministerpräsidenten, als dieser die Bühne, auf der er zuvor gesprochen hatte, verließ. Rabin erlag seinen Verletzungen kurz darauf.
Die Stätte seiner letzten öffentlichen Worte, welche ein weiteres Mal die Bedeutung des Friedens als stets übergeordnetes Ziel betont hatten, wurde in „Rabin- Platz“ umbenannt. Viele Menschen gedenken dort jährlich Rabins und seiner politischen Anstrengungen. Unter anderem mit ihrem Buch „Ich gehe weiter auf seinem Weg“ ging es der Witwe Leah Rabin darum, nicht nur die Erinnerung an ihren verstorbenen Ehemann, sondern besonders dessen politischen Ziele im allgemeinen Bewusstsein zu bewahren. Gerade im Jahr 2000, als sie an Krebs starb, kam es nichtsdestotrotz zur „Zweiten Intifada“. Doch das berühmte Foto vom 13. September 1993, auf dem Jitzchak Rabin und Arafat sich eingerahmt von den Armen des damaligen US- Präsidenten Bill Clinton anlässlich des „Ersten Osloer Friedensabkommens“ die Hand geben, kann weiterhin als Sinnbild für die Hoffnung stehen, dass endlich Frieden einkehre.
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