Böhmen-Amerika-Böhmen: Antonin Dvořák
Das waren die großen Stationen von Antonin Dvo?ák: Böhmen-Amerika-Böhmen. Ein weiter Weg. Interessant und von großen künstlerischen Erfolgen gekennzeichnet. Und auch nicht zufällig in dieser groben Reihenfolge. Denn der berühmte, im böhmischen Nelahozeves geborene Komponist von neun Sinfonien, den beliebten „Slawischen Tänzen“ und diversen Opern war beides: Einerseits offen dafür, auch einmal fremde musikalische Traditionen kreativ aufzunehmen und zu verarbeiten. Und andererseits doch tief verwurzelt und stark verbunden mit seiner böhmischen Heimat.
Metzgersohn
Auch gesellschaftlich war es ein weiter Weg. Denn Dvo?ák kam aus sicheren, aber schon einfachen Verhältnissen. Man könnte meinen: Was sich beim Sohn eines Schlachters und Gastwirts anbahnte, war keine Aufnahme am Konservatorium. Sondern eigentlich eine Laufbahn als Metzger. Aber Steine wurden dem Jungen nicht in den Weg gelegt, als in ihm die Lust aufkeimte, sich mit Musik zu beschäftigen: Er durfte schließlich Orgel- und Bratschenunterricht nehmen. Denn in der Familie gab es eine durchaus ausgeprägte musikalische Neigung. Nicht nur bei Vater Dvo?ák.
Stadtluft
Und man ließ Antonin auch ziehen, als das nicht mehr ausreichte: Er wollte nach Prag, wo die städtische Kultur und die Künste blühten. Also schon ein großer Schritt. In eine andere Welt, die viel versprach. Aber dem jungen Musiker doch keinen Rosenempfang bereitete: In der Hauptstadt angekommen, musste Antonin Dvo?ák vor allem schauen, wie sich ein Dach über dem Kopf finanzieren ließ. Aber dann machte er eben ein wenig Unterhaltungsmusik. Wichtig war: In Prag war etwas los! Hier konnte man Konzerte hören, Leute kennenlernen. Und: Hier ergatterte Dvo?ák einen Posten als Bratschist im sogenannten „Interimsorchester“, das unter anderem vom großen Bed?ich Smetana dirigiert wurde.
Romantiker unter sich
Dvo?ák schrieb allerdings auch selbst Musik. Das war sogar sein Hauptinteresse. Gerne – und in diesem Punkt war er typisch für seine Zeit und seinem Zeitgenossen Smetana ähnlich – ließ er sich von böhmischer Volksmusik beeinflussen. Was praktischerweise auch gut beim Publikum ankam. Denn zu jener Zeit, in der sich das tschechische Nationalbewusstein entwickelte, sehnten sich viele nach identitätsstiftenden kulturellen Einflüssen. Da kamen die „Romantiker“ in Musik und Literatur gerade recht: Suchten sie doch emsig nach alten Traditionen aus dem einfachen Volk, die für die zu etablierenden Nationen Europas typisch sein konnten.
Dvo?áks Werke gefielen aber auch einem prominenten ausländischen Kollegen, der bereit war, seine Erfahrung zu teilen und Tips zu geben: Johannes Brahms, der deutsche Romantiker, war ein Fan vom fleißig komponierenden Antonin Dvo?ák. Und er verschaffte ihm – sehr gut fürs Geschäft – Kontakt zum Musikverleger Fritz Simrock.
Die Neue Welt
Schließlich, die 1880er Jahre waren mittlerweile angebrochen, hatte Dvo?ák großen und internationalen Erfolg: Seine Werke wurden allerorts aufgeführt: Ja, der Weg führte über England sogar bis nach Amerika. Und das junge „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ hatte es ihm rasch angetan. Nicht zuletzt ließ sich der böhmische Komponist dort zu seiner berühmten Sinfonie „Aus der neuen Welt“ inspirieren. Er registrierte, dass in Amerika einige spezifische musikalische Formen und Schwingungen existierten. Dvo?ák war interessiert an den Traditionen der unterschiedlichen Volksgruppen. An Lebensweisen und Musikrichtungen nicht nur der Weißen, sondern auch der Schwarzen und der Ureinwohner. Und er nahm die verschiedenen Impulse experimentierfreudig in seine eigene Arbeit auf.
Das war allerdings auch sein Auftrag: Für das New Yorker Musikkonservatorium sollte Dvo?ák schließlich ein paar Werke schaffen, welche die amerikanische Nation und Kultur verkörperten. Auch dafür hatte man den jüngst reüssierenden Europäer über den „großen Teich“ geholt. Gleichzeitig war er Direktor der anerkannten Institution.
Heimweh nach Böhmen
Eine gutbezahlte Stelle. Dennoch: Dvo?ák fehlte seine Familie. Und das gute Böhmen fehlte ihm auch. Hatte er sich dort doch vor einigen Jahren ein schönes Landhaus gekauft. Es zog ihn sehr in die geliebte Heimat. Und als der gefeierte und arrivierte Komponist zurückkehrte, war klar: Jetzt konnte er das Familien- und Landleben richtig genießen.
Dvo?ák wurde allerdings auch so langsam ein älterer Herr. Am achten September 1904 hätte er seinen 63. Geburtstag gefeiert. Doch im Frühjahr desselben Jahres starb der Künstler. Er erlitt einen Schlaganfall. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte sollte er sich mit seinen Werken jedoch zunehmend ins nationale Gedächtnis eingraben. Und immer mehr zum gefeierten tschechischen Nationalkomponisten werden.
Benelux 2021/2022 (E12)
ISBN: 978-3-95402-362-2
Preis: 52,00 €
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