Denkerin und Heilige: Edith Stein
1998 wurde Theresia Benedicta vom Kreuz von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. In der katholischen Kirche gedenkt man ihrer am 9. August. Zur Welt kam die Nonne aus dem Orden der Karmelitinnen allerdings am 12. Oktober 1891, heute vor genau 125 Jahren. Und bekannt ist sie auch unter ihrem Geburtsnamen und bei Nicht- Katholiken: Steht Edith Stein doch für die entschiedene Verbindung von Geist und praktischem Engagement, den Austausch zwischen Christen- und Judentum und für die Selbstbestimmung von Frauen.
Eine junge Intellektuelle
Was interessant ist: Die spätere katholische Heilige entstammte einer jüdischen Familie aus Breslau. Sie war die jüngste unter sieben Geschwistern. Und es wurde früh erkennbar, dass die Interessen Edith Steins stark intellektueller Natur waren: Auf den Besuch des Gymnasiums folgte nämlich ein intensives Universitätsstudium. Die junge Frau beschäftigte sich mit Philosophie und Psychologie, mit Geschichte und Literatur. Es folgte sogar noch die Promotion. Auch dies mit sehr gutem Ergebnis. Und bei einem sehr berühmten Doktorvater: Dem deutschen Philosophen Edmund Husserl. Er begründete in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die einflussreiche philosophische Richtung der „Phänomenologie“.
Gesellschaftliche Schranken
Sehr gute Voraussetzungen für eine akademische Karriere. Könnte man zumindest meinen. Edith Stein wollte tatsächlich selbst gerne Professorin werden. Sie verfasste im Laufe der Jahre sogar mehre Habilitationsschriften. Doch der nächste Schritt auf der Leiter des Wissenschaftsbetriebs blieb ihr verwehrt. Der Grund für die Ablehnung der brillanten Denkerin und zeitweiligen Assistentin Husserls waren offensichtlich nicht fehlende Vorleistungen oder Begabung. Nein, es lag daran, dass sie eine Frau und dass sie Jüdin war.
Spiritueller Weg
Ausschließlich wissenschaftlich waren Steins Neigungen aber nicht: Sie spürte auch eine starke Verbundenheit mit ihren Mitmenschen und hatte das Bedürfnis praktisch zu wirken. Das hatte mit ihrer Spiritualität zu tun: Denn obwohl sie sich schon in jungen Jahren von ihrem jüdischen Glauben distanziert hatte, führte Steins Entwicklung nicht weg von der Religion. Im Gegenteil, der Katholizismus und besonders die Werdegänge und Schriften der katholischen Heiligen faszinierten sie sehr. Am meisten die heilige Teresa von Avila, die im 16. Jahrhundert dem Karmelitinnenorden angehörte. 1922 konvertierte Stein.
Lehrerin
In den nächsten zehn Jahren unterrichtete sie in Speyer junge Schülerinnen und Lehramtsstudentinnen im Dominikanerkloster St. Magdalena. Der Gedanke, Nonne zu werden, war jedoch da – und er reifte weiter. Anfang der 1930er-Jahre kehrte Stein noch einmal an die Hochschule zurück: Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste die hervorragend ausgebildete und erfahrene Wissenschaftlerin und Lehrerin ihre Stelle als Dozentin an der Universität in Münster niederlegen.
Im 1933 trat sie in Köln den Karmelitinnen bei. An ihren philosophischen und theologischen Studien und Schriften arbeitete sie jedoch stets weiter.
Verfolgung
In Deutschland konnte Stein nur noch wenige Jahre bleiben. Sie hatte jüdische Wurzeln und darüber hinaus setzte sie sich für das Schicksal der immer stärker bedrohten und verfolgten Juden in Deutschland ein. Schon 1933 schrieb Stein an Papst Pius XI: In ihrem Brief bat sie ihn ohne Erfolg darum, sich entschieden gegen die Geschehnisse und Entwicklungen auszusprechen und einzusetzen. Fünf Jahre später musste die Nonne selbst in ein holländisches Kloster ihres Ordens fliehen. Vergeblich: Edith Stein wurde gefangen genommen und deportiert. Sie wurde am 9. August 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Südosteuropa 2022 (E 8)
ISBN: 978-3-95402-388-2
Preis: 59,00 €
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