„Ein Zeitalter wird zu Grabe getragen“

„Ein Zeitalter wird zu Grabe getragen“

Wien, Ende November 1916: Acht Pferde mit schwarzem Federkopfschmuck sind vor den Trauerwagen gespannt, der langsam über die Wiener Ringstraße fährt. Zehntausende Menschen stehen schweigend am Rand. Der Sarg wird in die Kapuzinergruft, die Grablege der Habsburger, geleitet.
Kaiser Franz Joseph I., der 68 Jahre lang regiert hat, ist am 21. November 1916 – genau vor einhundert Jahren – in Wien gestorben.

Absolutismus und Moderne

kaiser-franz-joseph-briefmarke-1Franz Joseph war erst 18 Jahre alt, als er im europäischen Revolutionsjahr 1848 den österreichischen Thron bestieg, zu einer Zeit, als die Monarchie mit dem Rücken zur Wand stand. Der junge Herrscher errichtete in den 1850er-Jahren unter dem Einfluss konservativer Berater ein autoritäres, neoabsolutistisches System mit strenger Ausrichtung auf die österreichische Zentralgewalt. Erst allmählich stellte er sich den drängenden Fragen seiner Zeit: Wie sollten die vielen Völker in seinem Riesenstaat, der von Südtirol über Ungarn bis zur Ukraine reichte, zusammenleben? Wie die Herausforderungen der anbrechenden industriellen Moderne angegangen werden?

kaiser-franz-joseph-briefmarke-bosnienEin wichtiger Schritt war der 1867 erfolgte „Ausgleich“ mit dem nach Autonomie strebenden ungarischen Reichsteil, durch den der Staat in eine konstitutionell regierte Doppelmonarchie umgewandelt wurde.
Wien, die Haupt- und Residenzstadt der Monarchie, erlebte unter Franz Joseph den wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg zu einer der größten Städte der Welt. Der Bau der Wiener Ringstraße, einer Prachtstraße mit Palästen, Museen, Oper, Parlament, Rathaus und Universität, wurde vom Kaiser initiiert. Hier verband sich die prunkvolle Inszenierung von Monarchie und Staat mit der Selbstdarstellung des kaisertreuen Wiener Großbürgertums.

Repräsentant und Bürokrat

Franz Joseph war ein stets pflichtbewusster, ordnungsliebender Mann, der jahrzehntelang ein immenses Pensum an Aktenlektüre, Audienzen, Empfängen und Militärparaden bewältigte. Bei ihm verband sich zeremonielle Steifheit mit einer immer etwas spröden Leutseligkeit. In seinen späten Jahren wurde es sehr einsam um ihn. Sein Sohn, der Thronfolger Rudolf, hatte sich 1889 selbst getötet; seine Ehefrau Elisabeth, die berühmte Kaiserin „Sisi“, starb 1898 durch das Messerattentat eines Anarchisten.

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Der greise Kaiser Franz Joseph galt immer noch als Integrationsfigur des Vielvölkerstaates, konnte aber die schwelende Verfassungskrise und den aufkommenden Nationalismus der slawischen Bevölkerungsteile seines Reiches nicht mehr meistern. Die gegen Serbien gerichtete Annektionspolitik auf dem Balkan führte schließlich 1914 in den Ersten Weltkrieg.

kaiser-franz-joseph-briefmarke-2„Ein Zeitalter wird zu Grabe getragen“: Franz Josephs Tod wurde schon zeitgenössisch als tiefe Zäsur empfunden. Der schwache Nachfolger des Monarchen konnte mitten im Ersten Weltkrieg das zerrissene Vielvölkerreich nicht mehr einen. Das kaiserliche und königliche Österreich-Ungarn und sein Herrscherhaus gingen in der Revolution von 1918 unter.
Aber die Erinnerung an die „k. u. k.“-Zeit lebt bis heute weiter: In Wien präsentiert eine große Ausstellung aus Anlass des 100. Todesjahres noch bis Ende November die Insignien der Macht, die Uniformen, Kutschen und Prachtgewänder des Kaisers ebenso wie seine private, eher bescheidene Haushaltung.

Frauke Klinge


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