Stiefmütterlich behandelt: Der US Postal Service präsentiert sich in einem schlechten Zustand
22 Milliarden Dollar geschätzter Verlust in 18 Monaten – selbst Unternehmen der sogenannten New Economy, in der manches unter Investoren hoch gehandelte Unternehmen Millionenverluste schreibt, kennen keinen mit dem US Postal Service vergleichbaren Fall. Dieser existiert trotz exorbitanter Verluste in der Vergangenheit noch, weil er ein Staatskonzern, also vom Spiel der freien Kräfte am Markt befreit ist. Die wirtschaftlich desaströse Lage führt aber im Wechselspiel mit politischen Fehlentscheidungen auch dazu, dass der Postdienst vergleichsweise bescheidene Dienste leistet.
Bis zu einer Woche Brieflaufzeit normal
Brieflaufzeiten von bis zu einer Woche würden hierzulande zumindest die Kunden der Deutschen Post in den Aufstand treiben. Zu Recht, denn selbst der innereuropäische Postverkehr erfolgt zumeist schneller – einige Länder, die auch im Binnenverkehr eher mäßige Leistungen bieten, präsentieren sich in eher schlechtem Licht. Wer dagegen in den Vereinigten Staaten sicher sein möchte, dass sein Brief zügig den Empfänger erreicht, der tut gut daran, den Schnell- oder gar Eilpostdienst zu buchen. Was dieser kostet, bezeugen die Freimarken für den Expressdienst, die regelmäßig ausgegeben werden. Für eine Hochtechnologienation gibt der US Postal Service ein rundum peinliches Bild ab.
Mangelndes Interesse der Politik
Zurückzuführen ist dies zum einen auf demotivierte Beschäftigte, die beispielsweise einen gewaltigen Überstundenberg vor sich her schieben, da einfach zu wenig Personal eingestellt wurde. Zum anderen setzt die Staatspost vielfach total veraltete Technik – die Pakettransporter sind im Schnitt 30 Jahre alt – ein, denn über Jahrzehnte hinweg fehlte das Geld für Investitionen, einerseits wegen fehlender Gewinne im operativen Geschäft, andererseits wegen mangelnden Interesses der politischen Entscheidungsträger beider großer Parteien. Die demokratischen Präsidenten William Jefferson Clinton und Barack Hussein Obama behandelten den US Postal Service ebenso stiefmütterlich wie ihre Amtskollegen Ronald Wilson Reagan, George Herbert Bush, George Walker Bush und Donald John Trump von den Republikanern. Die Lage der Staatspost ist seit Jahren bekannt. 2011 stand sie sogar vor der Zahlungsunfähigkeit. Als Staatskonzern konnte sie natürlich nicht im klassischen Sinne in die Insolvenz gehen, doch bestand die Gefahr, dass sie Gehälter und fällige Rechnungen nicht mehr zu begleichen vermochte.
Es ist also keineswegs falsch, die Leistungsfähigkeit der Staatspost anzuzweifeln, insbesondere wenn mit einem äußerst hohen Briefaufkommen zu rechnen ist, weil viele Bürger angesichts der Corona-Pandemie im November wohl die Briefwahl bevorzugen werden. Natürlich finden deswegen keine Wahlfälschungen statt – die beiden bedeutendsten Fälschungsversuche der vergangenen Jahre gehen übrigens auf Parteifreunde des aktuellen Präsidenten zurück. Die in Europa übliche Sicherheit, dass Briefwahlunterlagen und -stimmen rechtzeitig einlangen, kann der US Postal Service aber nicht bieten.
50 Wahlsysteme
Kommendes Jahr wählen wir den 20. Deutschen Bundestag. Die Wahl erfolgt nicht nur allgemein, frei, gleich und geheim, sondern auch nach einem einheitlichen Wahlsystem. Niedersachsen entsendet seine Abgeordneten nach demselben Prinzip wie Bayern. In den USA kennt man eine andere Balance zwischen Föderalismus und Zentralismus. Dort gilt in jedem Bundesstaat ein eigenes Wahlrecht. In einigen Bundesstaaten erhalten sämtliche Wähler automatisch Briefwahlunterlagen, während sie in anderen per Brief nur wählen dürfen, wenn sie dafür einen Grund angeben, den der Bundesstaat anerkennt. Selbst die hierzulande weit verbreitete These, die Wahlmänner würden grundsätzlich nach dem Mehrheitsprinzip – the winner takes it all – für den gesamten Bundesstaat vergeben, stimmt nur für 48 Bundesstaaten. In Maine und Nebraska ziehen zum einen in den Wahlkreisen des Repräsentantenhauses gewählte Wahlmänner, zum anderen zwei staatenweit gewählte Wahlmänner in das Electoral College ein.
Liechtenstein-Spezial 2019/2020
ISBN: 978-3-95402-283-0
Preis: 46,00 €
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Lieber Herr Berndt,
vielleicht ist diese Information im Zusammenhang mit dem USPS noch interessant:
Kürzlich erklärte die stellvertretende Generaldirektorin der luxemburgischen Post im nationalen Fernsehen, dass der luxemburgische Postverkehr mit den USA praktisch zusammengebrochen ist. Schuld ist aber nicht der USPS sondern der Wegfall fast aller Flugverbindungen wegen Covid-19. Die Passagierflieger haben einen grossen Teil der Briefsendungen und Pakete als Beiladung mitgenommen. Die Kapazität der Frachtflieger reicht zur Kompensation nicht aus. DHL befördert zur Zeit ca. 50kg luxemburgische Sendungen pro Woche in die USA. Der Backlog im Centre de tri liegt bei einer Tonne Sendungen, im Klartext: Rückstau ins Jahr 2021 wenn kein Wunder geschieht.
Beste Grüsse
Uwe Kensing
Lieber Herr Kensing,
vielen Dank für Ihren Hinweis!
Das Problem hat auch die Deutsche Post. Kunden haben sich sogar schon bei der Bundesnetzagentur über zu lange Postlaufzeiten beklagt. Die Behörde hat jetzt die Deutsche Post angewesen, alternative Laufwege zu prüfen, beispielsweise den Seeweg. Das hätte sich wahrscheinlich vor wenigen Monaten noch niemand vorstellen können, dass im 21. Jahrhundert der Seeweg eine Alternative zum Luftweg darstellen könne.
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Berndt