Als die Kunstwelt nach New York blickte…
Mit 22 Jahren kam Willem de Kooning in die USA. Der am 24. April 1904 in Rotterdam geborene Künstler arbeitete und lebte dort bis zum Ende seines Lebens, besonders in New York. Stilistisch und kunsthistorisch oft dem Abstrakten Expressionismus zugeordnet, wurde er im aufblühenden Kunstgeschehen Amerikas nach dem Zweiten Weltkrieg einer der bekanntesten Maler überhaupt.
1955 wischte Robert Rauschenberg eine der Zeichnungen Koonings hinfort. Nicht in einem übertragenen Sinn, nein, Rauschenberg radierte die Arbeit für „Erased de Kooning drawing“ tatsächlich aus. Aber der hatte ihm sein Werk eigens dafür übergeben. Denn letztlich wusste de Kooning, worum es dem anderen, jüngeren ging, der sich als Objektkünstler auch jenseits der Malerei zu bewegen gedachte.
De Kooning selbst durchlebte schließlich intensivste künstlerische Prozesse. Sie führten im Ganzen nicht in völlige Abstraktion, auch wenn der Holländer aus Greenwich Village zunächst vor allem dafür gefeiert wurde. Vielmehr bewegte sich seine Arbeit fortlaufend zwischen nicht-gegenständlichen, impulsiv vollzogenen Pinselstrichen und Linien sowie emotional mitteilsamen Farbkombinationen einerseits und figurativen Elementen in leicht kubistischer Art andererseits.
Der radierende Rauschenberg war ein Fan. Denn bei Willem de Kooning handelte es sich Mitte der 50er-Jahre um einen längst einflussreichen und prominenten Künstler sowie Protagonisten einer lebendigen New Yorker Szene. Unlängst hatte besonders eine „Woman“ benannte Reihe von Gemälden, vielleicht de Koonings bekannteste Werke, großes Aufsehen erregt. „Das Fleisch war der Grund, warum die Ölmalerei erfunden wurde“, so lautet ein berühmtes de Kooning-Zitat aus dem Kontext seiner Beschäftigung mit der titelgebenden Thematik. Teile der Öffentlichkeit fanden die „Woman“-Bilder unsittlich oder unkorrekt. Manche Kunstkritiker beklagten eher ein letztliches Verharren de Koonings in der traditionellen, gegenständlichen Malerei, wo doch er und durchaus befreundete Kollegen wie Arshile Gorky, Mark Rothko und speziell Jackson Pollock, der große Künstler des „Action Painting“, mit ihrem Abstrakten Expressionismus die Aufmerksamkeit der gesamten Kunstwelt gerade nach Amerika verlegten. Dass de Kooning zum Beispiel immer noch mehr oder weniger angedeutet oder verzerrt Frauenfiguren malte, machte ihm auch Pollock zum Vorwurf.
Mit dessen ehemaliger Geliebten war de Kooning zeitweise liiert. Wie seine Ehefrau, die Künstlerin Elaine Fried, war auch Ruth Kligman allerdings nicht die Mutter seiner einzigen Tochter Lisa. Ähnlich wie der schon 1956 verstorbene Pollock kämpfte auch de Kooning über viele Jahre mit dem Alkohol.
Er hatte bereits im Jungenalter als Grafiker gearbeitet, bevor de Kooning aufgrund seiner Begabung zu ersten Kursen an der Kunstakademie zugelassen worden war und von dort aus mehrere Hochschulen besucht hatte. Vielleicht war er auch aus seinem chronisch unruhigen Elternhaus geflohen, als er schließlich ohne Papiere auf dem anderen Kontinent, in Virginia ankam. De Kooning behauptete sich bis zum großen Durchbruch des amerikanischen Abstrakten Expressionismus im Zuge der späten 40er-Jahre und verdiente immer wieder Geld als Illustrator und mit anderen Nebentätigkeiten, um letzten Endes der Kunst nachgehen zu können.
In den 70er-Jahren arbeitete er auch an Skulpturen, seine letzten Bilder malte er Ende der 80er-Jahre. Neu und am Zug waren in diesen Jahrzehnten eher Objekt- und Konzeptkunst, die Malerei weniger. Einflussreiche und von europäischen Traditionen unabhängigere künstlerische Impulse kamen dabei aus den USA. Und daran hatten die Abstrakten Expressionisten und hatte der Maler Willem de Kooning einigen Anteil gehabt. Er starb mit 93 Jahren. In den letzten Jahren seines Lebens hatte er an Alzheimer gelitten. Hinter ihm lag ein ganzes Jahrhundert Kunst.
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