Künstlerisches Multitalent

Obwohl er nur wenige Jahre seines Lebens in Berlin verbracht hatte, würdigte 1983 die Landespostdirektion Berlin Ringelnatz zum 100. Geburtstag, MiNr. 701.

Obwohl er nur wenige Jahre seines Lebens in Berlin verbracht hatte, würdigte 1983 die Landespostdirektion Berlin Ringelnatz zum 100. Geburtstag, MiNr. 701.

Die Biographie von Joachim Ringelnatz liest sich wie ein Roman. Schillernd, aufregend, aber auch tragisch. Der Künstler mit den vielfältigen Begabungen, der mit bürgerlichem Namen Hans Gustav Bötticher hieß, wurde 1883 in Wurzen geboren und wäre heute 130 Jahre alt geworden.
Das Elternhaus, in dem Bötticher aufwuchs, war liberal und brachte dem aufgeweckten und unangepassten Kind mit der sich früh äußernden künstlerischen Neigung Toleranz und Förderbereitschaft entgegen. Und dennoch sah es zunächst so aus, als sollten nicht Ateliers und Bühnen seine Wirkungsstätte werden, sondern die hohe See. Bevor Bötticher zu Ringelnatz wurde, versuchte er sich an der Verwirklichung eines Kindheitstraums und wurde Schiffsjunge. Doch schon bald stellte sich heraus, dass die romantische Vorstellung vom Seefahrerleben mit der harten Wirklichkeit nicht konkurrieren konnte.
Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sich vielleicht nicht die große Spannbreite von Ringelnatz Können offenbart. Nachdem er, wie Künstler zu allen Zeiten, für den reinen Broterwerb eine Reihe verschiedener, mehr oder weniger kunstbezogener Gelegenheitsarbeiten verrichten musste, etablierte er sich immer mehr als Schriftsteller. Während der erste Gedichtband von 1910 nur wenig Aufmerksamkeit erregte, fand er bereits drei Jahre später mit der Novellensammlung „Ein Jeder lebt`s“ eine breitere Leserschaft.
Von 1909 an lebte er in München. Zunächst allein, bis er 1920 Leonharda Pieper heiratete, die von ihm den Kosenamen „Muschelkalk“ erhielt. Zuvor hatte er sich jedoch nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs erneut von einer romantischen Vorstellung zu einer weitreichenden Entscheidung verleiten lassen. Er meldete sich freiwillig zur Marine.
Dass das Bedürfnis, sich durch Kunst mitzuteilen, bei Ringelnatz fundamental war, zeigt sich in seiner Mehrfachbegabung und der großen Produktivität seines Schaffens. Sowohl für seine schriftstellerische Tätigkeit und das Kabarett als auch für seine Malerei wurde er geschätzt. Besonders auch von vielen Künstlern seiner Zeit.

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Amazon.de WidgetsKabarettauftritte in ganz Deutschland wurden schließlich zur primären Einkommensquelle der Kleinfamilie. Trotz der Popularität von Ringelnatz und zahlreicher Auftrittsmöglichkeiten war das Ehepaar finanziell meist schlecht gestellt. Immerhin fielen die schaffensreichsten Jahre von Ringelnatz mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, der Wirtschaftskrise und ihren Nachwehen zusammen.
Das markante Äußere von Ringelnatz und das große Repertoire seiner vor allem humoristischen Lyrik können leicht dazu verführen, seinen schriftstellerischen Facettenreichtum zu unterschätzen. Aber sein Werk ist umfangreicher. Es umfasst neben vielen lyrischen Werken auch Kinderbücher, Romane, Bühnenstücke und Prosa. Er selbst hatte teilweise den Verdacht, hinter seinem auffälligen Äußeren zurückzutreten.
1930 verließ Ringelnatz München und zog in das ihm freigeistiger erscheinende Berlin. Obgleich die Schaffensperiode in Berlin besonders produktiv und durch den Kontakt zu vielen namenhaften Künstlern seiner Zeit geprägt war: Sie markiert gleichzeitig das Ende. Die Tragweite der politischen Umschwünge in Deutschland, die Ringelnatz lange nicht ernstnehmen wollte, traf ihn mit erschreckender Realität, als es 1933 zum Auftrittsverbot kam. Seine schriftlichen Werke fielen der Bücherverbrennung zum Opfer, seine Bilder wurden aus den Museen entfernt.
Das Auftrittsverbot führte zum finanziellen Ruin der Eheleute. Ringelnatz Zustand, der durch eine Tuberkulose-Erkrankung bereits stark angeschlagen war, verschlechterte sich. Nur ein Jahr darauf verstarb er, in ärmlichen Verhältnissen lebend, am 17. November 1934 an den Folgen einer schweren Tuberkulose in Berlin. Sarah Este


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Authored by: Marius Prill

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