Ehrung für Multitalent Shel Silverstein
Es gab mal eine Zeit ohne Handys. Nichts veranschaulicht die Fernmeldekommunikation zur Zeit der Vermittlungen und Telefonzellen so sehr, wie der Song „Sylvia’s Mother“ der Country-Rockband Dr. Hook. „Sylvia is busy, too busy to come to the phone“, heißt es in Dr. Hooks erster Single, die 1972 zum Ohrwurm wurde. Ein Verliebter versucht verzweifelt, telefonisch mit seiner Angebeteten zu sprechen, doch deren Mutter gibt den Hörer nicht frei und versucht ihn abzuwimmeln. All sein Bitten und Flehen hat keinen Erfolg, der Anrufer leidet nur weiter. Er solle Sylvia in Ruhe lassen, denn sie sei gerade dabei zu packen und sich auf eine kurz bevorstehende Zugfahrt vorzubereiten, um einen anderen zu heiraten. Die unerfüllte Sehnsucht und der Schmerz des Anrufers werden noch gesteigert durch den Telefonvermittler, der das Gespräch mehrfach unterbricht und für dessen Fortführung zum Einwurf weiterer Cent-Münzen auffordert.
Dieses herzzerreißende Lied mit autobiografischen Bezügen hat vor 51 Jahren der Musiker und Texter Sheldon Silverstein (1930–1999) geschrieben. Kurz darauf landete die Band Dr. Hook mit ihrer dritten Single „The Cover of the Rolling Stone“, die ebenfalls aus der Feder von Silverstein stammte, einen weiteren Coup. In dem satirischen Lied geben sie sich als erfolgreiche Rocksänger mit goldenen Fingern, zahlreichen Groupies, Drogen, Reichtum und einem indischen Guru. Das Einzige, was ihnen noch fehle, sei ein Titelfoto in der Musikzeitschrift „Rolling Stone“. Im März 1973 wurden sie erhört. Ihre Persiflage über den Erfolg im Musikgeschäft zeigte Wirkung, das Magazin karikierte sie auf dem Titel.
Der mit vielen Talenten ausgestattete Silverstein verfasste die meisten Stücke der Band Dr. Hook und darüber hinaus noch zahlreiche weitere Songs, von denen mehrere größere Bekanntheit erlangten. Silversteins Evergreens „A Boy Named Sue“, „The Ballad of Lucy Jordan“ und „Queen of the Silver Dollar“, vorgetragen von Johnny Cash, Marianne Faithfull und Emmylou Harris, erlangten internationale Verbreitung. In Verehrung für den ein Jahr zuvor verstorbenen Musiker gab sich die im Jahr 2000 gegründete kanadische Rockband den Namen „Silverstein“.
Neben dem Songschreiben komponierte Shel Silverstein auch Filmmusiken, unter anderem für die Tragikomödie „Wer ist Harry Kellerman?“ und die Komödie „Postcards from the Edge“, die unter dem deutschen Titel „Grüße aus Hollywood“ erschien. Doch der Gitarre, Klavier, Saxofon und Posaune spielende Silverstein beschränkte sich nicht nur auf die Musik. 1956 hatte er begonnen, als Karikaturist und Autor für das Magazin Playboy zu arbeiten. Die Zusammenarbeit setzte er in den folgenden Jahrzehnten fort. Sein letzter Beitrag erschien ein Jahr vor seinem Tod.
Comics und Drehbücher
Parallel dazu zeichnete er Comics, verfasste skurrile Gedichte und schrieb knapp 20 Bücher für Kinder und Erwachsene. 1988 erarbeitete das Multitalent gemeinsam mit David Mamet das Drehbuch für die Gaunerkomödie „Things Change“. Am 8. April würdigte der United States Postal Service (USPS) das vielseitige Ausnahmetalent mit einer Sonderbriefmarke. Abgebildet wird ein Motiv aus seinem geschriebenen und illustrierten Kinderbuch-Klassiker „The Giving Tree“, das in den USA im Oktober 1964 erstmals erschien und in Deutschland in verschiedenen Übersetzungen unter den Titeln „Der freigebige Baum“, „Der Baum, der froh und glücklich war“ und „Der Baum, der sich nicht lumpen ließ“ vorliegt und noch immer erhältlich ist.
Passend zum Inhalt und zur Zielgruppe des Buches fand die öffentliche Vorstellung der Sondermarke in jener Grundschule in Chicago statt, in der Silverstein früher auf dem Holzstuhl kippelte und in den Pausen sein Butterbrot verspeiste.
Münzen Deutschland 2022
ISBN: 978-3-95402-397-4
Preis: 32,00 €
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