275 Jahre Universität Göttingen (Teil I)
Ein stolzes Jubiläum wird in diesem Jahr in Göttingen begangen und mit einer Ganzsache der Deutschen Post gewürdigt: Vor 275 Jahren wurde auf Veranlassung des Landesherrn, Kurfürst Georg August von Hannover, der in Personalunion als König Georg II. Großbritannien regierte, die Universität Göttingen gegründet. Den Lehrbetrieb hatte sie zwar schon drei Jahre vorher aufgenommen, offiziell eingeweiht wurde die Universität aber erst im Jahre 1737. Dem Geist der Aufklärung verbunden, konnte die Georg-August-Universität in den folgenden Jahren rasch zu einem wissenschaftlichen Zentrum ersten Ranges aufsteigen.
Wesentlicher Grund dafür war die umsichtige Personalpolitik, für die der Geheime Rat und kurfürstliche Premierminister Gerlach Adolph von Münchhausen, der Onkel des Lügenbarons, verantwortlich zeigte. Wer auch immer Rang und Namen in der wissenschaftlichen Welt besaß, Münchhausen holte sie nach Göttingen.
Unter den ersten waren der Arzt und Naturforscher Albrecht von Haller (1708 – 1777), der in Göttingen den botanischen Garten anlegte und erster Präsident der 1751 gegründeten Göttinger Akademie der Wissenschaften wurde, sowie der Theologe und Orientalist Johann David Michaelis (1717 – 1791), bald folgten Koryphäen wie Christian Gottlob Heyne (1763 – 1812), unter dessen Leitung die Göttinger Universitätsbibliothek zu einer der führendsten Universitäts-Bibliotheken Deutschlands aufstieg, der weltberühmte Georg Christoph Lichtenberg (1770– 1799) und August Ludwig von Schlözer (1769 – 1809). Richtungsweisend für Göttingen waren der hohe Stellenwert der akademischen Lehre und die gezielte Förderung der Universitätsbibliothek, die, damals ein Novum, auch den Studenten offen stand. 1776 wurde Johann Friedrich Blumenbach (1752 – 1840) Professor in Göttingen, ein wesentlicher Begründer der Zoologie und der Anthropologie als wissenschaftliche Disziplinen, der fast 60 Jahre lang Vorlesungen an der Universität hielt. Blumenbach war es zu verdanken, dass 1782 Teile der von James Cook auf seinen Reisen gesammelten ethnographischen Objekte nach Göttingen gelangten.
Zusammen mit dem Nachlass von Georg Forster (1754 – 1794), der Cook auf seiner zweiten Weltumsegelung begleitet hatte, bilden diese Objekte eine der bedeutendsten ethnographischen Südsee-Sammlungen weltweit. Im Jahre 1807 wurde Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855) Professor für Astronomie und Direktor der Göttinger Sternwarte. Allein die Bedeutung von Gauß angemessen zu würdigen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, sein Wirken strahlte von der Göttinger Universität weltweit und bis in die Gegenwart hinein aus. Im Jahr 1837 kam König Ernst August von Hannover dann auf die Idee, die relativ freiheitliche Verfassung des Königreichs Hannover aufzuheben. Sieben Professoren der Göttinger Universität, darunter die Brüder Jacob (1785 – 1863) und Wilhelm Grimm (1786 – 1895) und der Physiker Wilhelm Weber (1804 – 1891) legten dagegen Protest ein.
Der Protest hatte Folgen: Die „Göttinger Sieben“ verloren ihre Stellung, ihr mutiger Widerstand jedoch machte sie in ganz Europa bekannt, noch heute gelten sie als Wegbereiter einer bürgerlichen Öffentlichkeit in Deutschland. Der Rausschmiss der sieben Wissenschaftler brachte allerdings auch den Verlust des Ansehens der Göttinger Universität mit sich, die Studenten wandten sich von der Uni ab, und 1847 erreichte die Zahl der dort eingeschriebenen Studenten einen historischen Tiefsstand. Unter Felix Klein (1849 – 1925), entwickelte sich die Göttinger Universität dann ab 1886 zu einem Zentrum der mathematischen und naturwissenschaftlichen Spitzenforschung. Dafür regnete es Nobelpreise, zu den bekanntesten Nobelpreisträgern aus Göttingen gehören James Franck, Max Born, oder Werner Heisenberg.
Wie überall, wurde auch in Göttingen der Wahlsieg Adolf Hitlers frenetisch bejubelt, und auch an der Universität setzte sich der nationalsozialistische Ungeist außerordentlich schnell durch: Sämtliche jüdischen Professoren und Dozenten wurden entlassen und ins Exil getrieben, ein Erbe, mit dessen Aufarbeitung sich die Göttinger Universität bis in die 70er-Jahre hinein schwer tat. Und auch heute noch liegen Teile der Universitätsgeschichte aus dieser Zeit etwas im Dunkeln, aber immerhin überprüft die Göttinger Uni mittlerweile ihre während des Dritten Reichs verliehenen Ehrentitel. Den Zweiten Weltkrieg überstanden Göttingen und die Universität ohne größere Bombenschäden, was die städtische Baupolitik der 60er und 70er Jahre dann allerdings zu verheerenden Abrissorgien herausforderte.
1948 wurde die Max-Planck-Gesellschaft gegründet, deren erster Präsident Otto Hahn wurde, und 1957 wurde die „Göttinger Erklärung“ veröffentlicht, in der einige der damals bedeutendsten Wissenschaftler vor der geplanten atomaren Bewaffnung der Bundeswehr warnten. Nobelpreise gab es auch wieder: Die jüngsten Göttinger Preisträger sind Manfred Eigen und Erwin Neher. Einen besonderen Geburtstagsgruß für die Göttinger Universität hatten sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat in diesem Jahr einfallen lassen. Im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes verlor die Göttinger Uni ihren Exzellenzstatus. Von dem hatten die Studenten allerdings dem Vernehmen nach sowieso nichts mitbekommen. Die Ausstattung der Bibliotheken hatte sich zumindest nicht verbessert.
Mehr über die Göttinger Universität und einige ihrer Studenten lesen Sie demnächst in einem zweiten Teil.
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