Einfach und genial
Wie kann man gesprochene Worte und Töne aufnehmen und wiedergeben? Mit dieser Frage befassten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Erfinder – heute vergessene, allgemein bekannte wie Thomas Edison und nur Fachleuten geläufige wie Emil Berliner. Letzterem gelang der Durchbruch.
Seine Idee war so einfach wie genial: Er ritzte die Schwingungen in eine Scheibe, auf der eine Rille schneckenförmnig von außen nach innen verlief. Die Rille konservierte an den Seiten die Laute, die ein hochempfindlicher Tonabnehmer auslas und an einen Verstärker weiterleitete. Berliner nannte das Abspielgerät, abgeleitet aus dem Griechischen, „Grammophon“. Für den Tonträger erfand er das Wort „Schallplatte“.
Mit der Wortwahl kehrte er zu seinen Wurzeln zurück. Am 20. Mai 1851 in Hannover geboren, war er 1870 in die USA ausgewandert, nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern um dem preußischen Militärdienst zu entgehen. 1877 legte er bei den Bell Labs seine erste Erfindung vor, ein Mikrofon für Fernsprechapparate. Von den Einnahmen, die ihm das Patent verschaffte, gründete er sein eigenes Unternehmen. 1887 meldete er zunächst die Schallplatte zum Patent an. Dies geschah am 4. Mai. Am 12. November dann, also heute vor 125 Jahren, erfuhr die Öffentlichkeit von der Neuigkeit – in einem Artikel der „Electrical World“.
Vor Berliner hatte unter anderem Edison ein Aufzeichnungssystem entwickelt. Die Schwingungen wurden auf eine Walze aufgezeichnet. Allerdings musste jede Walze einzeln bespielt werden, was nicht nur umständlich, sondern auch teuer war. Berliners Schallplatte ließ sich dagegen in großer Serie pressen, wobei der Begriff „große Serie“ natürlich nicht im Sinne heutiger Auflagen verstanden werden darf. Die ersten Tonträger entstanden aus Zelluloid, das sich aber nicht bewährte. Stattdessen verwendete Berliner dann zunächst Hartgummi, schließlich eine Mischung aus Baumwollflocken, Schieferpulver, Ruß und Schelllack. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich Polyvinylchlorid, kurz „Vinyl“, als Material durch.
Berliner wurde dank seiner Erfindung wohlhabend. Zu seiner Unternehmensgruppe gehörte auch die von seinem Bruder Joseph geleitete Deutsche Grammophon Gesellschaft, die ursprünglich in Berliners Heimatstadt saß. Bis heute gehört die Deutsche Grammophon, seit einigen Jahren ein Teil des Universal-Konzerns, zu den führenden Anbietern, vor allem im Bereich klassischer Musik. Die digitale Compact Disk hat aber längst der analogen Schallplatte den Rang abgelaufen.
Liechtenstein-Spezial 2019/2020
ISBN: 978-3-95402-283-0
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