Von Makro zu Mikro
Im Jahr 1923 erhielt Friedrich Raimund Michael Pregl, genannt Fritz, den Nobelpreis für Chemie. Mit seinen Arbeiten begründete er die „organische Mikroanalyse“ und legte dabei einen wesentlichen Grundstein für die Biochemie nachfolgender Jahrzehnte. Der am 3. September 1869 im österreichisch-ungarischen Laibach – heute das slowenische Ljubljana – geborene Pregl studierte in Graz Medizin. Am örtlichen Physiologischen Institut arbeitete er früh als Assistent und blieb nach der Promotion an der Universität. Die Physiologische Chemie war das Gebiet, in das sich Pregl, auf die Habilitation zusteuernd, in der Folge weiter vertiefte. Durch die Teilnahme an Lehrangeboten des Chemischen Instituts sowie eine Studienreise an die Berliner Wirkungsstätte des Chemie-Nobelpreisträgers Emil Fischer erweiterte er dafür seine Chemie-Kenntnisse. Seit 1903 im Status eines außerordentlichen Professors tätig, übernahm Pregl 1910 eine Professur am Institut für Medizinische Chemie in Innsbruck. Nach seiner Rückkehr an die Grazer Universität drei Jahre später blieb der spätere Ehrenbürger der Stadt während seiner gesamten folgenden akademischen Laufbahn dort. Nicht nur hier, sondern landesweit wirkte er als einflussreicher Lehrstuhlinhaber in Richtung der Installierung gezielt medizinisch-chemischer Lehrveranstaltungen und Institute.
Besonders trieb Pregl um, wie man die in Experimenten verwendete Menge organischer Substanzen – er befasste sich besonders mit Gallensäure –, die in sogenannten „Elementaranalysen“ auf ihre Bestandteile und diesbezügliche Mengenverhältnisse untersucht wurden, deutlich reduzieren und doch ausreichende Mengen der Teilelemente erhalten könne. Daher interessierte ihn besonders die Entwicklung von Geräten, mit denen quantitativ und auch zeitlich effizienteres Arbeiten möglich wäre. Allgemein folgte die Fachwelt bis dahin vor allem einem Verfahren des Chemikers Justus von Liebig, bei dem organische Verbindungen verbrannt, das Gewicht isolierter Stoffe ermittelt und die jeweiligen Anteile einzelner Elemente errechnet wurden. Dabei bewegte man sich jedoch, was die erforderlichen Mengen der Substanzproben betraf, auf Makro-Ebene. Für sein Vorhaben einer „quantitativen organischen Mikroanalyse“ widmete sich Pregl speziell der Konstruktion einer besonders sensibel operierenden mikrochemischen Waage. In Kooperation mit dem Hamburger Mechaniker Wilhelm Kuhlmann konnte er hierbei sein durch die jahrelangen wissenschaftlich-experimentellen Assistenzerfahrungen, aber auch durch Konsultationen handwerklicher Lehrmeister des Glasbläser- oder Schlossergewerbes ausgebautes technisch-praktisches Verständnis einsetzen. 1913 stellte Pregl seine Ergebnisse, sein Vorgehen und die weiterentwickelten Gerätschaften, die eine Verringerung benötigter Substanzmengen um ein Fünfzigstel auf bis zu 3mg mit sich brachten, dem angetanen internationalen Fachpublikum vor.
Im Jahr darauf erhielt er von der „Wiener Akademie der Wissenschaften“, die er später seinerseits mit der Auslobung eines Preises für mikroanalytische Forschungen beauftragte, den „Lieben-Preis“. Die Veröffentlichung seiner umfangreichen Arbeit „Die quantitative organische Mikroanalyse“, in der Pregl eine systematische Einführung ins mikroanalytische Arbeiten liefert, erfolgte 1917. Kollegen suchten ihn nichtsdestotrotz auch höchstpersönlich auf, um sich die Verfahren zeigen zu lassen, die das Komitee der „Schwedischen Akademie der Wissenschaften“ zu Beginn der 20er-Jahre mit dem Nobelpreis als entscheidenden und zukunfstweisenden Schritt in der analytischen organischen Chemie würdigte.
Pregl, der trotz seiner überaus leidenschaftlich und zeitintensiv betriebenen Forschungsaktivität auch als chemisch-medizinischer Sachverständiger für das Grazer Gericht tätig war, blieb zeitlebens unverheiratet. Es scheint, als lebte er für sein Fach und im Umkreis der Universität. Er pflegte den Kontakt und Austausch mit den Studenten, arbeitete bis spät in den Abend hinein im Labor. Selbst seine gern unternommenen Bergtouren wurden manchmal jäh von wissenschaftlichen Problemen unterbrochen, die ihm im Kopf herumgingen.
Fritz Pregl starb am 13. Dezember 1930, womöglich in Zusammenhang mit ernstlichen Kreislaufbeschwerden, die bei ihm infolge eines Autounfalls und des dabei erlittenen Schrecks eingesetzt hatten.
Leserbriefe
ISBN: 978-3-95402-267-0
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