Französische Asien-Post über die Transsib
Die Transsibirische Eisenbahn, mit 9288 Kilometern die längste Strecke der Welt, verbindet Moskau mit Wladiwostok am Japanischen Meer. Im März 1891 begonnen und vorwiegend über ausländische Kredite finanziert, verschlang der Bau Unsummen, nicht zuletzt bedingt durch die vielen Brücken und Tunnels. Zeitweise waren an den verschiedenen Streckenabschnitten bis zu 90 000 Arbeiter beschäftigt. Mit der Einweihung der Amurbrücke bei Chabarowsk im Oktober 1916 fand das Jahrhundertprojekt seinen Abschluss.
Im französischen Postamtsblatt ist 1903 zu lesen: „Seit 1. Oktober 1903 ist die transsibirische Strecke für die internationale Postverbindung geöffnet: Sie ist ab sofort die normale Strecke für die Beförderung von gewöhnlichen und eingeschriebenen Sendungen mit Ziel Japan, Korea und Nordchina, bis und einschließlich Schanghai und Hankou“ (heute Stadtteil von Wuhan).
20 Tage „Über Sibirien“
Ein Brief von Paris nach Wladiwostok benötigte anfangs 20 Tage bis zum Ziel; 1910 waren es nur noch 14 Tage. Briefe wurden zu sogenannten Depeschen-Bündeln verpackt und tragen daher keine Durchgangsstempel. Sie sind in der Regel nur am handschriftlichen Vermerk „Über Sibirien“ – hierfür kennt man verschiedene Formulierungen – auszumachen. Die Verbindung wurde zweimal unterbrochen, zunächst 1904/05 im Russisch-Japanischen Krieg, dann für längere Zeit ab Oktober 1917 mit Ausbruch der Russischen Revolution. Der Verkehr wird erst im September 1923 wieder aufgenommen, jedoch mit nur einem Zug pro Woche.
Von da an besteht auch die Möglichkeit, über diese Route „auf Risiko des Absenders“ Post nach Persien aufzugeben, was die Laufzeit gegenüber dem Seeweg um zwei bis vier Wochen verkürzt. Die Eröffnung der Flugverbindung Paris–Moskau im April 1928 reduziert die Laufzeit eines Briefes nach Fernost um weitere eineinhalb Tage. Hitlers Überfall auf Russland im Juni 1941 versetzt der Postbeförderung Frankreich–Asien über die Transsib den Todesstoß.
Nur 64 Belege bis 1917
Post von Asien nach Europa über die Transsib lässt sich noch relativ häufig finden. Hingegen ist solche in der Gegenrichtung ausgesprochen selten. Bonnet hat alle von Frankreich abgehenden Sendungen tabellarisch erfasst und den Perioden 1903/04, 1907/17 und 1923/39 zugeordnet. Bis 1917 kommt er auf lediglich 64 Belege. In Auswahl stellt er sie vor und analysiert peinlich genau ihren Laufweg. Dabei bedient er sich Landkarten, Eisenbahn- und Schiffsfahrplänen, zahlreicher relevanter Auszüge aus Amtsblättern, und er entschlüsselt chinesische und japanische Ankunftsstempel. Neben dem Schwerpunkt Frankreich stellt der Autor auch Transsib-Belege vor 1917 aus England, Deutschland, Italien, Spanien, der Schweiz, Dänemark, Belgien und dem europäischen Russland vor und analysiert sie ebenso sorgfältig. Eine kurze „Methodik“ fasst am Ende alle Kriterien zusammen, anhand derer sich ein Beleg als Transsib-befördert identifizieren lässt.
Was immer zu dem postgeschichtlich zu Unrecht lange vernachlässigten Kapitel zu sagen ist, stellt diese Monografie in bislang nicht erreichter Vollständigkeit dar. Die Auswahl und Qualität des Bildmaterials sowie die kompetente Erklärung aller Belege sind weitere Pluspunkte.
Courriers Europe–Asie par le Transsibérien 1903–1941 [Post Europa–Asien mit der Transsibirischen Eisenbahn 1903–1941]. Von Bruno Bonnet, Vorwort von Guy Dutau und Michel Catherine. 82 Seiten, Farbabbildungen, Format 21,5 x 27,7 cm, Softcover. Preis: 30 Euro einschließlich Porto. Erhältlich bei Bruno Bonnet, 6, Allée du Transformateur, F-14100 Lisieux, bruno.bon net0@orange.fr (Bankverbindung: FR76 3000 3011 3000 0513 0490 606 oder PayPal).
Rainer von Scharpen
rvs
Südosteuropa 2022 (E 8)
ISBN: 978-3-95402-388-2
Preis: 59,00 €
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