Kein verbissener Konkurrent Mozarts
Im Sommer des Jahres 1766 kam ein begabter Junge aus Venedig nach Wien. Unmittelbar vor ihm lag eine erstklassige Ausbildung unter der Ägide des am kaiserlichen Hof angestellten Musikers Florian Leopold Gassmann. Darüberhinaus bahnte sich eine eigene Karriere als Komponist an. Der zu diesem Zeitpunkt 16-Jährige blieb der österreichischen Hauptstadt im Lauf seines Lebens gewogen und treu, auch wenn dort zeitgleich ein anderer für Furore sorgte und sein Genie entfaltete. Doch Antonio Salieri war, anders als unter anderem im bekannten Kinofilm „Amadeus“ von 1984 dargestellt, weniger ein verbissener und frustrierter Neider und Konkurrent Wolfgang Amadeus Mozarts. Beziehungsweise: Er war es überhaupt nicht. Salieri lebte vielmehr als erfolgreich und kontinuierlich arbeitender, eigenständiger Komponist, der gar nicht soviel Grund zur Klage über seinen Werdegang empfand.
Nachdem seine Kindheit vom frühen Verlust der Eltern überschattet gewesen war, liefen die Dinge beim erwachsen werdenden Salieri gut an: Er, den während seiner Studienzeit am kaiserlichen Hof besonders der Opernkomponist Christoph Willibald Gluck beeindruckte und beeinflusste, war schon bald nach seiner Ankunft auch beim Kaiser Joseph II. wohlgelitten. Später folgte er schließlich auch seinem ehemaligen Förderer Gassmann in die Position des Hofkapellmeisters nach.
Künstlerisch stellte Salieri sein früh erkanntes Talent speziell im Operngenre unter Beweis. Dort sind viele und die bekanntesten seiner Arbeiten angesiedelt. Neben Wien, wo er die Oper italienischer Prägung vertrat und pflegte, reüssierte Salieri dabei im Zuge von Uraufführungen nicht nur in seiner italienischen Heimat, sondern auch in München. Und große Erfolge hatte er außerdem in Paris. Vor allem „Tarare“ schlug dort 1787 ein und festigte Salieris Status als Komponist.
Woher genau kommen das berüchtigte Bild einer Rivalität zwischen Salieri und Mozart und die Unterstellung einer erbitterten Eifersucht seitens des Italieners? Sie sind zumindest keine Erfindungen des 20. Jahrhunderts. Die Fiktion der unangenehmen Persönlichkeit Salieris etablierte sich vielmehr nicht zuletzt infolge Alexander Pushkins Drama „Mozart und Salieri“ aus dem Jahr 1831. Der russische Schriftsteller geht darin sogar soweit, einem giftmischenden Salieri den Mord am verhassten ewigen Salzburger Wunderknaben anzudichten. Nikolai Rimski-Korsakow verarbeitete Pushkins Stück dann auch noch musikalisch, und die posthum gestartete Mär des von seiner eigenen Mittelmäßigkeit verdrossenen, missgünstigen Salieris verfestigte sich weiter. Eine faktische Grundlage hat die Behauptung eines Wettstreits zwischen Salieri und Mozart vor allem in dem Umstand, dass sich im Wien des 18. Jahrhunderts die italienische und die deutschsprachige Oper gegenüberstanden sowie in der Tatsache, dass die beiden gelegentlich für dieselben Aufträge und Positionen in Frage kamen.
Wäre er wirklich so kleingeistigen Charakters und seinen Kollegen so feindlich gesonnen gewesen, hätte Salieri jedoch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als er seine letzten Opern schrieb, vermutlich nicht verstärkt eine Betätigung verfolgt, für die doch ein gewisses Wohlmeinen nötig ist. Gab Salieri, dies war auch durch seine eigene Vergangenheit als unterstütztes Talent angelegt, doch anderen Musikern Unterricht. Und berühmte Leute durchliefen seine Schule, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert und Franz Liszt zum Beispiel. Insbesondere die Vokalmusik beschäftigte Salieri zu dieser Zeit, und er erstellte systematische Gesangsübungen und -anleitungen.
Mit seiner Ehefrau, die 1807, zwei Jahre nach dem gemeinsamen Sohn, starb, war Salieri seit 1775 verheiratet gewesen. In den letzten Jahren seines Lebens litt er an Demenz. Bei seinem Tod war Antonio Salieri ein anerkannter 75- jähriger Komponist und Musikpädagoge, der internationale Erfolge mit seinen eigenen Werken erzielt und sich um die Musikkultur Wiens verdient gemacht hatte. Sein Geburtstag jährt sich am 18. August zum 265. Mal.
Plattenfehler Deutsches Reich 1872-1945
ISBN: 978-3-95402-432-2
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